Meg Wolitzer, "Das weibliche Prinzip", Roman. Übersetzt von Henning Ahrens, € 24,70 / 496 Seiten. Dumont-Verlag, 2018

Foto: Dumont

Keine Frage: Die Bestseller-Autorin Meg Wolitzer, Jahrgang 1959, hat das gut getimt. Das weibliche Prinzip wird seit seinem Erscheinen im Sommer 2018 als der Roman zu #MeToo gehandelt. Und tatsächlich ist das mittlerweile siebente auf deutsch übersetzte Buch der produktiven US-Schriftstellerin ungemein zeitgemäß, und nicht nur, weil es gleich zu Beginn des 495 Seiten starken Romans um einen sexuellen Übergriff geht und darum, diesen auch zu artikulieren, sprich öffentlich zu machen. Spätestens die Höchstrichter-Bestellung von Brett M. Kavanaugh, der von der Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford einer versuchten Vergewaltigung beschuldigt wurde, hat der Thematik wieder weltweit Aufmerksamkeit verschafft. Mit welchen Konsequenzen, scheint natürlich höchst(richterlich) fragwürdig.

Die junge, schüchterne, aber sehr intelligente Studentin Greer Kadetzky erlebt so einen Übergriff auf einer College-Party, wo sie frisch gelandet ist. Initialzündung für die feministische Selbstfindung aber wird ein anderer Moment während Greers Universitätszeit. Nämlich die Begegnung mit Faith Frank, einer damals schon 63-jährigen Ikone der Frauenbewegnung auf der Damentoilette des Campus. Wolitzer spinnt daraus, eigentlich in bester – immer noch recht männlicher – US-Romanautoren-Tradition, wenn schon keine "Great" American Novel, so doch einen sehr okay erzählten US-Roman.

Frauen und die Machtfrage

Die zentralen Themen kreisen um Feminismus: Es geht um Frauen und die Machtfrage, im familiären und beruflichen Umfeld, und viel um Macht in Frau/Mann-Paarbeziehungen. Es geht um Gehaltsscheren und die Solidarität, sprich Konkurrenz zwischen Frauen und um den Übergriff des Kapitalismus auf die gute (feministische) Sache und schließlich um die Emanzipation von Emanzipationsvorbildern. Und der Weltbeschreibungsroman dekliniert gekonnt die diversen Zugänge in unterschiedlichen Feminismusdekaden durch. Faith Frank stehe für einen "weißen Mittelklasse-Frauen-Feminismus", stand in der Zeit zu lesen, die Zuschreibung trifft mit Sicherheit zu und steht für das gesamte Romanprojekt von Wolitzer. Aber auch dafür gibt einen Bedarf.

Fast zu konstruiert, weil nahezu unrealistisch im echten Leben, liest sich der Erzählstrang über den ebenfalls hochbegabten Cory, Greers Highschool-Liebe und späteren Lebenspartner, der irgendwann nach seinem Eliteuni-Abschluss seinen bestens dotierten Consulting-Job hinschmeißt und als Putzmann arbeitet, um sich nach einem tragischen Todesfall in der Familie um seine alte Mutter kümmern zu können.

Macht Wolitzer Cory zum besseren Feministen als ihre handlungstragenden feministischen Protagonistinnen? Ja und nein. Das weibliche Prinzip heißt im Original The Female Persuasion, auf Deutsch "weibliche Überzeugungskraft". Man möchte ihn einer fast erwachsenen Tochter zum Lesen geben – bevorzugt im englischen Original. (Mia Eidlhuber, 13.10.2018)