Drei Oppositionsparteien ist seit der Wahl vor einem Jahr der Chef abhandengekommen. Das muss kein Nachteil sein, speziell wenn Frauen nachrücken, wie das aktuell geschehen ist.

Die SPÖ scheint sich nicht ganz sicher zu ein, ob sie mit Pamela Rendi-Wagner die richtige Wahl getroffen hat. Es ist ein tiefsitzender Vorbehalt spürbar, vielleicht auch, weil die Chefin eine Frau ist und sich das so ungewohnt anfühlt. Die roten Landeschefs sind sich selbst immer noch am nächsten, nur ungern blicken sie über ihren eigenen Tellerrand hinaus.

Inhaltlich müsste sich die SPÖ bei dieser Regierung für die Vorlagen bedanken, praktisch findet das kaum Umsetzung. In der Migrationsfrage gibt es weder ein nachvollziehbares Konzept noch eine verständliche Kommunikation. Lediglich beim Zwölfstundentag hat sich die SPÖ, mitgerissen und vorangeschoben von ihren Gewerkschaftern, draufgesetzt, als ob es kein Morgen gäbe. Der Lärm, der hier veranstaltet wurde, obwohl ein ähnliches Konzept (nicht das gleiche) auch in Christian Kerns Plan A zu finden ist, soll wohl über andere Leerstellen der Partei hinwegtäuschen.

Die Neos als zweitstärkste Oppositionskraft im Parlament mussten sich von ihrem Erfinder Matthias Strolz verabschieden, was beiden gleichermaßen schwerfällt. Mit Beate Meinl-Reisinger gibt es eine neue Frontfrau, die es nicht ganz so exponiert anlegt, im Auftreten aber mindestens so bestimmt ist wie Strolz. Dass die Neos auch in der zweiten Reihe gut besetzt sind, zeigt etwa Stephanie Krisper, die im BVT-Ausschuss gute Arbeit macht. Trotz neoliberaler Ausrichtung gelingt es den Neos, einen moralischen Anspruch zu vertreten und damit Alternativpositionen zur Kaltschnäuzigkeit der Regierung sichtbar zu machen.

Pilz macht Pilz

Die Liste Pilz heißt zwar immer noch Liste Pilz, hat aber mittlerweile eine Parteichefin namens Maria Stern. Es wird einen Grund haben, warum sie kaum einer kennt, aber im Grunde ist das nicht wichtig. In der ersten Phase war die Liste ausschließlich mit Intrigen, Eitelkeiten und Lustbarkeiten beschäftigt, mittlerweile wird auch Sacharbeit erkennbar. Die Arbeitsteilung scheint zu funktionieren. Pilz macht Pilz, die anderen kümmern sich um den Rest. Nach wie vor sind die Inhalte aber extremes Minderheitenprogramm; die Regierungsparteien werden damit nicht ernsthaft behelligt.

Die Grünen sind als bundespolitische Bewegung kaum sichtbar, sie haben sich vom Liebesentzug der Wähler noch nicht erholt. Potenzial müsste vorhanden sein, siehe Bayern. Ein Neustart wäre möglich, wenn die alte Kraft auf neue Ideen trifft.

Aus der Sicht der Regierung sind Pilz und Grüne keine Bedrohung, die Neos könnten der ÖVP unangenehm werden – aber nur ein bisschen. Die FPÖ muss niemanden fürchten außer sich selbst. Wenn sie keine dramatischen Fehler macht, wird sie nicht viel verlieren. Die SPÖ unter Rendi-Wagner wendet sich eher an potenzielle Grünen-Wähler als an das rechte Lager. Für Kanzler Sebastian Kurz ist das eine recht kommode Ausgangsposition.

Viele Bürger, die mit dieser Regierung nicht einverstanden sind, machen sich die Opposition mittlerweile selbst: Sie lesen empört die Medien, diskutieren und schimpfen im Familien- und Freundeskreis. Ein paar gehen sogar wieder demonstrieren. Das nützt zwar nichts, schadet aber auch nicht. Das ist derzeit die einzig verlässliche Konstante in der Opposition.(Michael Völker, 15.10.2018)