Das Kraftwerk Simmering im 11. Wiener Gemeindebezirk besteht aus mehreren Blöcken. Zwei davon werden zur Netzstabilisierung genutzt.

Strom ist so selbstverständlich geworden wie nur irgendwas. Dass Lampen flackern, weil die Spannung nicht passt, kommt selten vor, ein Stromausfall noch seltener – zumindest in Österreich und zumindest bisher. Das könnte sich ändern, wenn der Anteil erneuerbarer Energien weiter steigt und kalorische Kraftwerke mangels Wirtschaftlichkeit aus dem Markt verschwinden.

Darauf machen Netzgesellschaften, die für die Stabilität der Stromversorgung zuständig sind, seit längerem aufmerksam. Und auch Stromerzeuger wie Wien Energie, größter Stromversorger Österreichs, fordern seit langem eine ernsthafte Diskussion, wie das Problem gelöst werden kann. Ein Rahmenvertrag mit der Austrian Power Grid (APG), der für das österreichische Hochspannungsnetz zuständigen Verbund-Tochter, dürfte man sich jetzt etwas Luft erkauft haben.

Zuschlag erhalten

"Wir haben an der Ausschreibung der APG zur Vorhaltung kalorischer Kraftwerkskapazität teilgenommen und den Zuschlag für drei Kraftwerke erhalten," sagte Wien Energie-Chef Michael Strebl dem STANDARD. Es handle sich um die Blöcke Simmering 1 und 3 sowie um das Kraftwerk Donaustadt. "Offensichtlich haben wir gut angeboten und waren auch preisgünstig, sonst wären wir nicht in die Ziehung gekommen", sagte Strebl. Der Vertrag geht über drei Jahre, mit Verlängerungsoption.

Neben all den guten hat Strom auch eine besondere Eigenschaft: Er kann nur zu einem kleinen Teil "zwischengelagert" werden, etwa in Pumpspeichern oder in stationären Batterien; der Großteil muss sofort verbraucht werden. Weicht die Erzeugung vom Verbrauch ab, beeinflusst das die Netzfrequenz. Die beträgt bei Wechselstrom in Europa normalerweise 50 Hertz, andernfalls könnten elektrische Geräte Schaden nehmen.

Zur Stabilisierung der Netzfrequenz müssen Angebot und Nachfrage stetig ausgeglichen werden. Dies geschieht mittels Regelenergie sowie Zu- und Verkäufen am Strommarkt. Hier kommen kalorische, meist gasbefeuerte Kraftwerke ins Spiel, die binnen Minuten ans Netz und ebenso rasch wieder vom Netz genommen werden können. Sie haben aber einen Nachteil: Sie sind seit einigen Jahren wegen stark gesunkener Strompreise nicht mehr wirtschaftlich.

Einfach zusperren geht nicht

Jetzt steigen zwar die Strompreise wieder, aber auch die Gas- und CO2-Preise ziehen an. "Wir leben von dem dazwischen, da ändert sich kaum etwas," sagte Strebl. Rein wirtschaftlich betrachtet hätte man die fraglichen Kraftwerke schon vor Jahren zusperren müssen. So einfach ist das aber nicht. Für alle Energieversorger mit Bundes- oder Landesbeteiligung hat Versorgungssicherheit oberste Priorität. In Wien und einigen anderen Bundesländern kommt hinzu, dass die Fernwärme zum Teil in kalorischen Kraftwerken miterzeugt wird.

Die sogenannten KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung) haben zwar einen hohen Wirkungsgrad, nutzen die eingesetzte Energie also besser als Kraftwerke, die nur Strom erzeugen; sie sind aber Solar- und Windkraftwerken, deren variable Kosten nahe null liegen, wirtschaftlich unterlegen.

Um Förderung bemüht

Betreiber von KWK-Anlagen wie Wien Energie bemühen sich seit längerem um eine EU-kompatible Förderung. Im Sommer des Vorjahres schien die greifbar. Heuer im Februar dann die Kehrtwende, Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (VP) hat die Notifizierung in Brüssel gestoppt. Man wollte KWK im Rahmen der Klima- und Energiestrategie diskutieren. "Die Stopptaste ist noch immer gedrückt," sagte Strebl. "In der Mission 2030, die wir unterstützen, hat man die Ziele für erneuerbare Energien nochmals hinaufgeschraubt, auf 100 Prozent bis 2030. Da müssen aber auch die Back-up-Systeme aufgerüstet werden."

Bis 2021 komme man über die Runden, auch wenn die Modalitäten für die Reservehaltung mit der APG noch zu verhandeln seien. Strebl: "Bis dahin hoffen wir, dass das neue Energiegesetz steht – mit einer guten Lösung auch für KWK. (Günther Strobl, 16.10.2018)