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Das chinesische Wort für "Kommunismus" können sie kaum aussprechen, und während die jungen Starbucks-Gäste im Pekinger Viertel Sanlitun die "Xi-Jinping-Gedanken" auswendig gelernt haben, fällt ihnen zum Namen "Karl Marx" meist wenig ein. Der langjährige ORF-Korrespondent Raimund Löw hat mit Kerstin Witt-Löw ein Buch über die gemeinsamen Erfahrungen in zwei Jahren Volksrepublik geschrieben und damit ein niederschwelliges, spannendes Charakterporträt über die "Weltmacht China" geliefert, nach der der Ende September erschienene Band benannt ist.

Löw erzählt in zwölf Kapiteln vom Umgang der chinesischen Behörden mit der Presse und davon, wie man als Ausländer mit Beamten zusammenarbeitet, die im eigenen Land keine freien Medien dulden. Und selbstverständlich lässt Löw auch zahlreiche Experten zu Wort kommen, die erklären, wieso manches in China, das dem europäischen Beobachter ungewöhnlich scheint, so ist, wie es ist.

Einiges, was es im Buch zu entdecken gibt, mag Lesern, die Löws Reportagen im ORF verfolgt haben, bereits bekannt vorkommen, und manche Interviewpartner sind auch schon in "Weltjournal"-Beiträgen zu Wort gekommen. Trotzdem lohnt sich die Lektüre: Löw führt auf den 256 kurzen Seiten kenntnisreich durch zahlreiche Aspekte, die das moderne China auch außerhalb der Hauptstadtregion Peking ausmachen. Immer wieder gelingt es ihm, die Episoden durch einen historischen roten Faden miteinander zu verknüpfen.

Mitten im Text finden sich gelegentlich Einsprengsel, die als "Kerstins Tagebuch" gekennzeichnet sind und von den persönlichen Erlebnissen des Paares im Pekinger Großstadtdschungel und den Reisen durch die Provinz erzählen. Das passt nicht immer in den Erzählfluss, liefert für sich aber ebenfalls spannende Einblicke. (Manuel Escher, 17.10.2018)