Wien – 34 Spieltage, 29 Spielstätten in 10 Gemeindebezirken, über 100 Veranstaltungen mit über 80 Ur- und Erstaufführungen – das sind die Zahlen zur 31. Auflage von Wien Modern, des Festivals für Neue Musik. Generalthema ist heuer "Sicherheit", wobei man programmatisch keineswegs auf Nummer sicher geht. Festivalleiter Bernhard Günther hob bei der heutigen Pressekonferenz einige Programmpunkte heraus.

Das Eröffnungskonzert am 28. Oktober im Wiener Konzerthaus bestreiten die Wiener Philharmoniker ohne die Sicherheit eines Dirigenten. Konzertmeister Rainer Honeck erinnerte sich an einen Vorbildmoment, der unter dem Titel "Bernstein not conducting" auf Youtube zu finden ist: Leonard Bernstein ließ bei einer Haydn-Sinfonie die Philharmoniker plötzlich führungslos. "Er hatte uns nicht vorgewarnt. Es war eine Laune von ihm – aber es hat uns unheimlich Spaß gemacht. Er hat uns großes Vertrauen geschenkt in diesem Moment", so Honeck.

Stiller John Cage

Zum Auftakt spielen die Philharmoniker erstmals Musik von John Cage, nämlich das "stille Stück" "4'33''". Auf "Verklärte Nacht" von Schönberg und einem weiteren Cage-Stück folgt eine Uraufführung von Johannes Maria Staud: "Scattered Light". "Da wissen wir noch gar nicht, was auf uns zukommt", meinte Honeck, der ein gewisses Defizit seines Orchesters im Bereich der Beschäftigung mit Neuer Musik bedauernd einräumte: "Bei Tourneen wird das halt leider von uns nicht so gewünscht..."

Wien Modern findet nicht nur im Konzerthaus statt. In fünf verschiedene Kaffeehäuser geht Marino Formenti und spielt, beginnend am 30. Oktober, an fünf Tagen unter dem Titel "Cafe Cage" insgesamt 19 Stunden Klaviermusik von John Cage. Vom Prückel bis zu Zweistern und Ungar Grill soll eine Melange aus Alltag und Musik entstehen: "Die Idee ist, Cage in sehr unterschiedliche Environments zu bringen", so Formenti, der zudem am 28. Oktober unter dem Titel "Bibliosphäre: Die Kugel der Zeit" in die Bibliothek der Wiener Musikuni (mdw) lädt: Nach Vorbild der "Bibliothek von Babel" von Jorge Luis Borges spielen Studierende acht Stunden lang Musik aus allen Epochen aus der über 250.000 Titel umfassenden Bibliothek.

Ab in die Klavierhölle

Gleich der gesamte Campus der Musikuniversität verwandelt sich am 17. November in "ein großes Klanggebäude", wie Komponist Georg Nussbaumer erzählte. 300 Studierende treten an, um Nussbaumers "Atlas der gesamten Musik und aller angrenzenden Gebiete" aufzuführen, "eine Art begehbare Sinfonie, ein klingender Ausstellungsraum für all die Musik, die das ganze Jahr dort geprobt und geübt wird und in dem Repertoirestücke vom Mittelalter bis in die Gegenwart wie Bilder hängen". Neben einer "Klavierhölle mit 18 Klavieren" werde es während der angepeilten dreieinhalb Stunden "auch ganz viel Subtiles und Feines" geben, hofft Nussbaumer.

Als eines der "heimlichen Großprojekte" neben einem Olga-Neuwirth-Schwerpunkt und einem "Casino Cage" am 5. November, für das ein großer Roulettetisch im Großen Konzerthaussaal aufgebaut wird und mittels Roulettekugel über Zeitpunkt, Reihenfolge und Gleichzeitigkeit der Interpretationen der 14-teiligen "Sequenza"-Werkreihe von Luciano Berio entschieden wird, kündigte Günther heute die Serie "The Solo-Challenge" für 11 Solistinnen und Solisten an: am 4. November für Cello, am 8. November für Klavier, am 25. November für Geige. Roter Faden ist dabei die neunfache Uraufführung der "Schütten"-Komposition von Katharina Klement, die dafür Aufnahmen aus einem Zementwerk als Basis herangezogen hat und mit ihrer grafischen Partitur viel Freiraum für Improvisation lässt: "Ich glaube nicht, dass man meine Stücke falsch spielen kann. Diese Kategorie ist hier nicht angebracht. Das schönste Kompliment ist, wenn es den Ausführenden Freude macht", sagte Klement. "Und mich als Veranstalter würde es freuen, wenn es das Publikum freut", ergänzte Günther.

Frauen vor den Vorhang

In den Wappensaal des Wiener Rathauses geht am 19. November für das Preisträgerinnen-Konzert des Österreichischen Komponistinnen Preises. Zu hören sind Stücke von Tanja Elisa Glinser, Ursula Erhart-Schwertmann und Rojin Sharafi. "Ich hoffe, das ist der Beginn einer längeren Kooperation", sagte Preis-Mitstifterin Ewa Dziedzic, die mit der Auszeichnung "Frauen vor den Vorhang holen" will: "Es ist in der Musikszene nach wie vor ein großes Thema, seine Existenz zu soweit absichern können, um sich dem kreativen Schaffen zu widmen. Für Frauen ist das noch viel schwieriger."

Am Ende der eineinhalbstündigen Pressekonferenz gab es dann noch eine veritable Uraufführung: Unter dem Titel "Der diskrete Klang der Wien Modern Kataloge" widmete man sich ganz buchstäblich dem Nachhall von über 30 Festivaljahren: Georg Nussbaumer nahm die bisherigen Programmkataloge einen nach dem anderen in die Hand und hieb damit auf die Tasten, worauf Marino Formenti jeweils einen Akkord aus dem damaligen Programm nachhallen ließ. Die Performance endete mit John Cage in der Stille. Alles ruhig. Alles gut. Wien Modern Nummer 31 kann kommen. (APA,17.10.2018)