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Die Mailänder Fashion Week ist auch eine Sportwoche: Mit Blasenpflastern in Mailand

von Anne Feldkamp

Du hast's gut! Wie viele Koffer nimmst du mit? Und grüß mir Anna Wintour! Regelmäßig werde ich beglückwünscht, bevor ich zur Modewoche nach Mailand aufbreche. Ich nicke dann und packe am Abend vor der Abreise meinen Koffer in Handgepäcksgröße. In den letzten Jahren habe ich gelernt: Ein Paar Sneaker hat noch keiner Modewoche geschadet. Sitze ich normalerweise im Büro vor dem Bildschirm, ist Mailand meine Sportwoche. 52 Kilometer, hat meine Schrittzähler-App festgehalten, bin ich zuletzt in vier Tagen quer durch die Stadt gelaufen. Denn während die Kolleginnen von Vogue und Elle von Fahrern in schweren Limousinen von Show zu Show kutschiert werden, bin ich (wenn ich mich nicht ab und zu in den Wagen einer Kollegin schmuggle) zu Fuß, mit Straßenbahn und Metro unterwegs. Und das ist (solange es nicht regnet) auch okay so.

Freie Platzwahl! Nach der Armani-Show sind die Ränge endlich leer.
Foto: Brigitte Winkler

Zum Glück kenne ich den Schauenplan mittlerweile so gut wie auswendig und weiß, dass jede Modenschau mit (mindestens!) einer halben Stunde Verspätung beginnt. So bin ich dank der Hin- und Herfahrerei zu einer halben Mailänderin geworden. Während ich anfangs noch mit einem Stadtplan unterwegs war, setze ich mittlerweile auf eine App. Die Metro-Linien nehme ich sowieso blindlings, ich weiß, wie man den Auflauf der Fotografen und das Schaulaufen der von Kopf bis Fuß gestylten Influencer vor der Fendi-Show am cleversten umläuft und in welchem Café sich vor der Prada-Show (meist nach wie vor mein persönlicher Höhepunkt der Woche) noch ein Espresso ausgeht. Die vier Tage sind trotzdem immer wieder ein Gehetze.

Deshalb ist seit drei Saisonen abends ein Tisch bei der Nonna, einer kleinen, energischen Restaurantbetreiberin, reserviert. Da wird dann mit den Kollegen neben ganz normalen Mailändern, die mit Mode nichts am Hut haben, bei hausgemachten Gnocchi über nichts als die Mode (na ja, fast) gefachsimpelt. Was war die katastrophalste Show-Einladung in dieser Saison? Warum bin ich diesmal in Reihe fünf gesessen? Und warum geraten die "Vogue"-Redakteurinnen auf ihren High Heels (nur die deutsche "Vogue"-Chefin Christiane Arp kommt in Birkenstocks) trotz Modewochenstresses nicht ins Straucheln? Die Antwort auf die letzte Frage habe ich noch immer nicht herausgefunden. (Anne Feldkamp, 19.10.2018)

Anne Feldkamp ist seit 2016 Moderedakteurin des STANDARD. Zur Modewoche fährt sie schon seit über vier Jahren. Die Koffer sind seither auf Handgepäcksgröße geschrumpft – Hauptsache, Sneaker dabei!


"Schreiben Sie nicht so viel!" (Der Fall der Gewerkschaftsbank – und ein guter Tipp)

von Renate Graber

Es war im Frühling 2006. Bei der damaligen Gewerkschaftsbank Bawag und im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) kündigte sich nicht weniger als eine Götterdämmerung an. Die 1922 vom früheren Staatskanzler und Sozialdemokraten Karl Renner gegründete "Arbeiterbank" stand am Abgrund. Immense Kreditgeschäfte mit "Investor" Wolfgang Flöttl waren schiefgegangen. Der Milliardenverlust freilich war jahrelang vertuscht worden. Vergraben im Sand der Karibik, in steuerparadiesischen Briefkastenfirmen und Stiftungen selbst des ÖGB – aber eben nicht ganz begraben.

Aufgeflogen ist die Sache, die 2007 in den Verkauf ausgerechnet an einen amerikanischen Hedgefonds mündete, zufällig. Am 10. Oktober 2005 hatten die Bawagbanker einen 350-Millionen-Euro-Kredit ans US-Brokerhaus Refco vergeben, nach dem Notruf von dessen Eigentümer und Bawag-Geschäftsfreund Phillip Bennett. Kaum war das Geld in New York, fiel Refco um – und die Flut an Forderungen der Gläubiger schwappte nach Wien. Der erste Dominostein war gefallen.

Wer bei der Gewerkschaftsbank Bawag unter Helmut Elsner (re., hier beim U-Ausschuss 2006) und Johann Zwettler recherchierte, hatte gröbere Ausgrabungsarbeiten zu erledigen.
Foto: APA/Techt

Ab da recherchierte (nicht nur) ich unablässig. Kam drauf, dass die Wiener den Refco-Kredit in einer Nacht- und Nebelaktion beschlossen hatten, dass sie noch vergeblich versucht hatten, das Geld wieder zurückzuholen. Schicht für Schicht trug ich jenes steinige Material ab, unter dem sich das Geheimnis der "Karibikverluste" verbarg. Mit dem Biotop Bawag hatte ich mich schon jahrelang beschäftigt; mein Verhältnis zum recht selbstbewussten Exchef Helmut Elsner war meistens, na, sagen wir, unterkühlt.

Recherchierend, rennend, schnaufend verbrachte Wochen und Monate. Meine vernachlässigten Liebsten daheim schnauften mit. Bestens erinnere ich mich an die SMS meines Jüngeren aus der Schulpause: "Die Togo (Topfengolatsche, Anm.) schimmelt."

Zum Einkaufen kam ich selten, dafür grub ich die Tatsache aus, dass der ÖGB aus Vertuschungszwecken für die nicht werthaltigen Kredite an karibische Firmen haftete. Und das Faktum, dass der berühmte Streikfonds des ÖGB fortan aus (de facto wertlosen) Bawag-Aktien bestand.

Unterlagen aus dem Sackerl

Ich fand die Protokolle der geheimen Vorstandssitzung von 26. Oktober 1998, nach der Elsner und Co ihre Ideen zur diskreten Rettung der Bank umsetzten. Der in New York lebende, damals mit einer Eisenhower-Enkelin verheiratete Flöttl überließ der Bawag sein Vermögen, vor allem Gemälde. Monatelang suchte, suchte, suchte ich nach der Liste der Werke. Und: Ich habe die Aufzeichnungen gefunden. Mit einem der Aufdeckung Wohlgesinnten habe ich mir einen Termin auf der Straße ausgemacht, wir würden einander nicht begrüßen, nur aneinander vorbeigehen. Der Informant hielt und ließ Unterlagen diskret in mein Billa-Sackerl gleiten (wenigstens am Freitag kam ich zum Einkaufen). Monets, Manets, Picassos hatte Flöttl der Bank zum Versilbern überlassen, man kam aus dem Staunen nicht heraus.

Im STANDARD jagte eine Geschichte, eine Enthüllung die nächste, scheibchenweise räumten (Ex-)Vorstand und ÖGB Verluste und Vertuschung ein. Einer der Höhepunkte meiner Recherchen: Der ÖGB selbst hatte eine Stiftung in Liechtenstein. Den kurzen Weg von den abendlichen Notpressekonferenzen in der Bawag in die Herrengasse brachte ich (Redaktionsschluss!) laufend hinter mich, im Büro wartete schon meine Kollegin Bettina Pfluger, die Finger auf der Tastatur. Ich diktierte, sie schrieb, so ging's schneller.

Nach einer dieser Pressekonferenzen hielt mich ein damals noch wichtiger Banker auf. "Auf Wiedersehen", rief ich ihm im Davoneilen zu. Er erwiderte meinen Gruß und hatte einen exzellenten Rat für mich parat: "Und, Frau Graber, schreiben Sie nicht so viel!" Na ja. So richtig beherzigt hab ich seinen Tipp nicht. (Renate Graber, 19.10.2018)

Renate Graber schreibt seit 2004 Wirtschafts- und andere Geschichten für den STANDARD, führt Interviews für "Anders gefragt". So sie nicht gerade den Geschirrspüler einräumt.


Kuriosester Fall einer "Neuentdeckung": "Das ist ein Scherz, das ist kein Schiele"

von Olga Kronsteiner

Ob Gustav Klimt oder Egon Schiele, so gut wird das Schaffen dieser heimischen Paradekünstler wohl nie erforscht sein, dass nicht irgendein Glücksritter meint, ein bislang unbekanntes Gemälde aufgestöbert zu haben. Der Boulevard ist ein dankbarer Abnehmer solcher Histörchen. Die Boten wissen, dort werden weder vermeintliche Beweise hinterfragt, noch wird eine neutrale Fachmeinung eingeholt.

Der mit Abstand kurioseste Fall datiert aus dem Jahr 2011. In einer Wochenendausgabe deckte Österreich einen "Millionen-Krimi" auf, in dessen Mittelpunkt eine solche Trouvaille stand: Der Kampf der Zentauren, gemäß Signatur von Egon Schiele gemalt, angeblich acht Millionen Euro wert, war (unrechtmäßig) zur Belehnung eines Kredits (1,6 Mio. Euro) bei der Linzer Oberbank verpfändet worden.

Die Signatur lautete "Egon Schiele". Gemalt aber hatte ein arbeitsloser Straßenbahnfahrer.
Foto: Archiv

Einige Medien griffen die Geschichte auf und zitierten die Fachwelt: Das Bild sei dem Belvedere nie vorgelegt worden, "wir bewegen uns im Reich der Spekulationen", erklärte die damalige Direktorin Agnes Husslein. Elisabeth Leopold, Witwe des legendären Schiele-Sammlers und Museumsgründers, vermutete ein Jugendwerk und wollte eine Echtheit nicht ausschließen. Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Ihr Mann hatte einst eine Besichtigung und eine Expertise verweigert – nicht nur einmal, sondern mehrmals.

Auch der STANDARD nahm sich der Causa an. Zu den kontaktierten Personen gehörte ein Kunsthändler. Dessen Reaktion auf die via Mail übermittelte Aufnahme: "Sie müssen mir das falsche Bild geschickt haben" – nein -, "das ist ein Scherz, das ist kein Schiele." Eine pointierte Aussage, die für den Titel des Artikels übernommen wurde. Der allgemeine Tenor in diesen Stunden war von massiven Zweifeln an der Zuschreibung und Hohn gegenüber der Bank geprägt, die verabsäumt hatte, einen Experten zu kontaktieren.

Anderntags meldete sich ein Leser in der Redaktion und bescherte endgültige Gewissheit. Er und seine Schwester waren die Vorbesitzer des Bildes, das ihr verstorbener Vater Jahrzehnte zuvor bei einer Auktion in einer Volkshochschule ersteigert hatte: als Werk eines arbeitslosen Straßenbahnfahrers. In den 1980er-Jahren hatten sie es an einen Antiquitätenhändler verscherbelt. Irgendwann danach muss es um eine Schiele-Signatur ergänzt worden sein. Von wem, blieb – trotz Hinweisen – im Dunkeln. Der Verbleib des verfälschten Werkes? Unbekannt. Noch. (Olga Kronsteiner, 19.10.2018)

Olga Kronsteiner schreibt seit den 1990er-Jahren als freie Autorin für den STANDARD. Dazu stöbert sie meist in Archiven, löchert Experten oder beobachtet Auktionen.