Yasser (Kamel El Basha), Bauarbeiter und palästinensischer Flüchtling in Beirut, hat den Automechaniker und Christen Tony Hanna (Adel Karam) beleidigt. Der Gerichtssaal beendet den Streit keineswegs.

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Natürlich geht es nicht um ein Abflussrohr, als der Vorarbeiter Yasser Abdallah Salameh (Kamel El Basha), palästinensischer Flüchtling in Beirut, den Automechaniker Tony Hanna (Adel Karam) beleidigt. Tony ist Mitglied der libanesischen Kräfte, hasst die Palästinenser. Er hat das Rohr zertrümmert, das ihm Yasser vor seinem Balkon hat verlegen lassen. Und nun fordert er als Christ, der sich im eigenen Land benachteiligt fühlt, von Yasser eine Entschuldigung.

Der Affront (The Insult), 2017 mit dem Standard-Publikumspreis der Viennale prämiert, erzählt davon, wie eine Privatfehde zwischen den beiden Männern beinahe zum Bürgerkrieg gerät. Der 55-jährige libanesische Regisseur und Autor Ziad Doueiri skizziert einen Konflikt, der nicht nur zum Politikum ausartet, sondern immanent politisch eingefärbt ist: Was als Auseinandersetzung zwischen einem muslimischen Bauarbeiter und einem christlichen Mechaniker beginnt, eskaliert rasch zu einem juristischen Streit, in dem die Geschichte der gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen palästinensischen Muslimen und Christen im Libanon aufgerollt wird.

Trailer zu "Der Affront"
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Wer trägt die größere Schuld am Leid des anderen? Dürfen die Massaker von Karantina und Damour, von Sabra und Schatila miteinander verglichen werden? Als sich Yasser auf Drängen seines Chefs schließlich doch entschuldigen will, setzt dieser nach: "Scharon hätte euch alle eliminieren sollen." So lautet jener Satz, den man im Laufe dieses Films, der sich zum Gerichtssaaldrama entwickelt, noch oft hören wird. Statt der Entschuldigung gibt es gebrochene Rippen, den Aufmarsch von Staranwälten und einen Politskandal, der bis zur Audienz der Streithähne beim Präsidenten reicht – dem es seinerseits reicht und der von nationaler Stabilität faselt, der aber den ins Rollen gebrachten Stein auch nicht mehr aufhalten kann.

In dramaturgisch groben Zügen hält Doueiri den Prozess von Aufwiegelung und Eskalation fest. Wo der eine zum Terroristen gestempelt wird, wird der andere zum Komplizen Israels. Wo der eine die Weltöffentlichkeit hinter sich weiß, kritisiert der andere die "Unantastbarkeit der palästinensischen Sache". Familie und Freunde tun das Übrige, mischen sich ein oder versuchen zu besänftigen. Seine gutgemeinte Botschaft kann man The Insult jedenfalls nicht anlasten.

Nachtragend und unnachgiebig: Nicht einmal von seiner Frau Shirine (Rita Hayek) lässt sich Tony Hanna (Adel Karam) beruhigen.
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Viel eher die Notwendigkeit Doueiris, seine beiden Hauptfiguren moralisch schadlos zu halten, damit sie als Spielbälle der Interessen funktionieren. Das macht The Insult zwar zu einem Film, der den Konsens sucht (die Oscarnominierung für den besten fremdsprachigen Film war logisches Resultat), aber zu durchschaubar. Recht und Gerechtigkeit sind (auch) im Libanon nicht dasselbe. Weshalb der menschliche Faktor hier mehr zählt als jedes Gerichtsurteil. (Michael Pekler, 18.10.2018)