Zwei bis drei Österreicher pro Tag sterben durch Passivrauchen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache sagt trotz knapp 900.000 Unterschriften für das Volksbegehren: Wir machen derzeit kein Rauchverbot.

Im Mittelmeer ertranken heuer bereits 1.500 Menschen. Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht Parallelen zwischen Seenotrettern und Schleppern und greift Ärzte ohne Grenzen an.

Arbeitslose sollen sich nicht "länger durchschummeln" (Zitat Regierung zu Jahresbeginn). Ein Algorithmus bestimmt künftig, wer bei der Jobsuche welche Förderungen erhält und wer nicht. Klingt nach Auslese – auch wenn man im AMS das Gegenteil beteuert.

Was ist da los? Fehlt der Politik jegliche Empathie? Und ist das den Menschen mittlerweile egal? Leben wir in ganz und gar unempathischen Zeiten? Das wäre ein naheliegender Schluss. Ein noch näher liegender: Schuld daran sind nicht wir, die Menschen – sondern "das Internet". Lehnen wir uns also zurück und einigen uns darauf, dass die Welt schlecht ist.

Macht das etwas mit Menschen?

Tatsächlich haben sich die Menschen stark verändert. In Bus, Bim und U-Bahn starren sie nicht länger missmutig vor sich hin – sie starren lieber in ihre Handys. Sie kommunizieren ständig mit Daumen und Zeigefinger, und seit der Erfindung von Social Media scheint es, als hätten alle zu allem immer eine Meinung. Eine sehr pointierte zumeist, die mit Nachdruck – und oft mit einem ganzen Schwall an negativen Gefühlen – vertreten wird.

Macht das etwas mit Menschen? Wahrscheinlich schon. Wenn man mehr textet als redet, fördert das Knappheit, Einsilbigkeit – und damit auch Unhöflichkeit und Respektlosigkeit. Empathie wäre hier von Vorteil, im Sinne von empfinden, wie der Empfänger der Whatsapp-Nachricht, der SMS oder des Postings das Geschriebene auffassen könnte. Höflichkeit und Respekt kann man freilich trainieren, auch auf Facebook und Twitter. Empathie funktioniert hier gut, wenn man will, man bewegt sich in ein- und derselben Filterblase.

Mangelnde Empathie ist auch nicht das Problem dieser Regierung. ÖVP und FPÖ agieren sehr empathisch – immer im Sinne ihrer eigenen Unterstützer und Wähler. Allerdings fehlt es immer wieder an Mitgefühl mit Menschen, die schlechter gestellt sind – außerhalb der eigenen Schicht.

Herz- und mitleidloses Agieren

Das wird damit begründet, dass "Gutmenschentum" die Faulen begünstige und die Fleißigen bestrafe – und jegliche Reform verunmögliche. Daher müsse man jetzt eben ein wenig streng sein. Nicht wenige Menschen unterstützen das, nicht wenige Regierungen weltweit agieren scheinbar herz- und mitleidlos mit Schwächeren.

Politik, die mitfühlt, muss jedoch keineswegs reformresistent sein. Es muss nur genau überlegt werden, wie Reformen angepackt werden, wie jene, die dabei auf der Strecke bleiben, aufgefangen werden können. Das Kümmern um jene, die sich nicht selbst helfen können, ist auch eine Frage des Verstandes – nicht nur in der Politik. Nirgendwo auf der Welt geht es auf Dauer gut, wenn die Gesellschaft auseinanderdriftet, wenn es Reichere nicht kümmert, dass Ärmere auf der Strecke bleiben. Sozialer Ausgleich ist wichtig. Nur so können alle ruhig schlafen – weil jeder weiß, auch ihm wird geholfen, wenn er es braucht.

Politik ist ein Spiegel der Gesellschaft, gewählte Politiker sind repräsentativ dafür, wie Menschen in einem Land denken. Es gibt eine globale Tendenz zu sozialer Kälte. Und es liegt an allen, dass die Temperaturen steigen. (Petra Stuiber, 18.10.2018)