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In vielen Ländern Südamerikas wurde die Sojabohne zum Inbegriff von Regenwaldrodung und Monokultur.

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Es war ein Rennen gegen die Zeit. Als die Peak Pegasus am 8. Juni mit 70.000 Tonnen Soja an Bord in Seattle ablegte, war die Lage angespannt, aber der Handelskonflikt zwischen den USA und China war noch nicht eskaliert. Einen Monat später, am 6. Juli, hätte das 230 Meter lange Frachtschiff seine Sojaladung mit einem Gesamtwert von mehr als 20 Millionen US-Dollar in der chinesischen Hafenstadt Dalian abladen sollen. Doch in dem Monat, in dem das Schiff über den Pazifik tuckerte, änderte sich alles: Nach einem Hickhack um Aluminium- und Stahlzölle sowie Technikprodukte, verhängte Peking am 6. August einen 25-prozentigen Einfuhrzoll auf Agrarprodukte wie Sojabohnen. Gerade an jenem Tag, an dem die Peak Pegasus in Dalian landen sollte.

Das Schiff traf dreißig Minuten nach der Deadline ein und brachte die – plötzlich um 25 Prozent teurere – Ware nicht an Land. Stattdessen kurvte der Frachter, der ironischerweise früher United World hieß, einen Monat lang im Kreis, bis sich Chinas staatlicher Getreideeinkäufer Singograin bereiterklärte, auch die teurere Ware einzukaufen. Denn für China ist US-Soja wichtig: Mit der stetig wachsenden Mittelschicht, die sich zunehmend Fleischprodukte leisten kann, nimmt auch der Bedarf an Soja als Futtermittel zu.

Politisches Druckmittel

Der frisch entbrannte Agrarstreit könnte für US-Präsident Donald Trump zum politischen Druckmittel werden: Das Land der Mitte kann nur 30 Prozent des jährlichen Sojabedarfs selbst decken. Der Rest wird neben Brasilien vor allem aus den USA importiert. Ohne die proteinreiche Hülsenfrucht könnte Millionen chinesischer Landwirte das Futter für ihr Vieh ausgehen.

Auch auf der anderen Seite des Pazifiks lässt der Sojastreit die Wogen hochgehen. US-Landwirte sind verärgert, weil sie fürchten, ihre Ware nicht mehr verkaufen zu können. Immerhin ist China der wichtigste Abnehmer ihrer Sojabohnen. Für Trump kommt dabei eine politische Komponente hinzu: Im November stehen in den USA Zwischenwahlen im Kongress an, Landwirte spielen dabei für die Republikaner und den Präsidenten eine wichtige Rolle. 96 Prozent aller in den USA produzierten Sojabohnen wachsen in 18 Bundesstaaten, 16 davon haben Trump gewählt.

Nazis schätzten Soja

Um die wütenden Farmer zu beruhigen, hat Trump daher Ende Juli ein Hilfspaket in der Höhe von zwölf Milliarden US-Dollar angekündigt, das die negativen Folgen des Handelsstreits mit China abfedern soll. Auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vereinbarte Trump, der sich angesichts des Soja-Kursverfalls besorgt zeigte, dass die EU künftig mehr US-Soja importieren soll.

Es ist nicht das erste Mal, dass die zarte Hülsenfrucht im Mittelpunkt des weltpolitischen Geschehens steht. Nach ersten Anbauversuchen in Zentraleuropa mischten die Nationalsozialisten kräftig im Agrarmarkt mit. In Südamerika wurde Soja einige Jahrzehnte später hingegen zum Inbegriff von Zwangsumsiedelungen, Regenwaldrodungen und Monokulturen.

Wunderpflanze

Auch Österreich – der mittlerweile fünftgrößte Sojaproduzent in der Europäischen Union – hat eine ereignisreiche Sojageschichte. Während die Hülsenfrucht bereits Mitte des 18. Jahrhunderts in den niederländischen Schriften erwähnt wurde, fand die Sojapflanze erst Ende des 19. Jahrhunderts nach Österreich. Die ersten Anbauversuche sind wohl der Neugier von Friedrich Haberlandt zu verdanken. Der Botaniker der Universität für Bodenkultur entdeckte das Gewächs 1873 bei der Weltausstellung in Wien. Fasziniert von den Eigenschaften und der Vielfältigkeit der Pflanze, unternahm Haberlandt Anbauversuche in der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie, schrieb Rezeptbücher und hielt Vorträge über die "Wunderpflanze".

Doch der intensive Geschmack, an den europäische Gaumen nicht gewöhnt waren, ließ das Interesse an Soja mit Haberlandts Tod im Jahr 1878 schnell wieder verebben, erzählt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Langthaler von der Universität Linz. Erst einige Jahrzehnte später kam Soja aufgrund der Weltwirtschaftskrise und der zwei Weltkriege als günstige Eiweißalternative zu Fleisch auf Österreichs Teller zurück.

Stärkende Wirkung

Damals gelang es dem Chemiker László Berczeller, die Hülsenfrucht zu Mehl zu mahlen, die er unter dem Namen "Edelsoja" vertrieb. "Die Sojabohne wird vor allem als Lieferantin von pflanzlichem Protein gesehen", sagt Langthaler. Gerade in den Kriegsjahren war sie deshalb ein wertvolles – und vor allem günstiges – Nahrungsergänzungsmittel. Nicht nur Hausfrauen konnten "wieder lachen", wie es in einer Edelsoja-Werbung aus den 1930er-Jahren heißt ("denn sie kann ihre Küchenausgaben wesentlich ermäßigen und die Ihren besser ernähren"), auch für Soldaten war die Hülsenfrucht in den Kriegsjahren ein wichtiger Proteinlieferant.

Die Nationalsozialisten erkannten bereits früh die Vorteile der Pflanze mit dem 35-prozentigen Eiweißanteil. "Die Sojabohne war eine hinreichende Kost für Soldaten der Wehrmacht, die tagelang von den Nachschublinien abgeschnitten waren", erzählt der Historiker Langthaler. Proteine in Form von Fleisch, Eiern oder Milch waren knapp und kostspielig, die Soldaten mussten sich oft mit Sojawürsten begnügen. Bald wurde im gesamten Deutschen Reich Soja angebaut – allen voran in Österreich. Auch bei den Alliierten erfreute sich die Pflanze, die den Beinamen "Nazibohne" erhielt, bald großer Beliebtheit.

Ironie der Geschichte

Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete dann – zumindest für einige Jahrzehnte – das Ende des großflächigen Sojaanbaus in Europa. Mit den Amerikanern, die in den 1940er-Jahren zu den weltgrößten Sojaexporteuren heranwuchsen, kamen auch US-Sojabohnen in das kriegszerstörte Europa. Hier zeigt sich eine gewisse Ironie der Geschichte: Während die Recherchen des Boku-Professors Haberlandt in Europa mit seinem Tod weitgehend von der Bildfläche verschwanden, wurde seine Arbeit in den USA zum Standardwerk. Die "Haberlandt-Bohne" (oder auch Haricot Haberlandt) war zu jener Zeit in fast allen Bundesstaaten zu finden. Heute dominieren die genmanipulierten Sorten von Monsanto und Co den US-Markt. (Nora Laufer, 20.10.2018)