Veronika J. König alias Farce: Drama auf dem Dancefloor.

Foto: Magdalena Fischer

Abgesehen von diversen Möglichkeiten, Fleisch oder Fisch damit zu füllen, erkennt man eine Farce am Theater sehr schnell daran, dass bei hohem Betriebstempo ein zunehmend verwirrendes und absurder werdendes Schauspiel über die Bühne geht. Es beinhaltet mitunter recht anzügliche und derbe Schenkelklopfer und Wuchteln. Man kann solche vom Niveau her auch sehr gern tiefergelegten Komödien unter dem Schlagwort "Tür auf, Tür zu" zusammenfassen. Filme von Louis de Funès, die in Wohnzimmern spielen, Pension Schöller, Arsen und Spitzenhäubchen ...

Die aus dem Schwarzwald kommende Künstlerin und Musikerin Veronika J. König veröffentlichte Anfang 2017 ein bemerkenswertes Minialbum. Unter dem reichlich seltsamen Titel Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rueckwarts finden sich sieben englischsprachige Songs, die auf wundersame Weise christliches Gebet mit kräftigem wie emotionalem Gesang und harscher wie trotzdem noch konsumierbarer Elektronik verbinden: "Violence (Violins?), I love you so much."

Farce: "Die Angst"
FARCE

Autotune und Eurotrash

Mitunter besang Farce zu Schlagerkeyboards die SVA, die möglicherweise mehr mit der School of Visual Arts als mit der Sozialversicherungsanstalt zu tun hat – oder eben in der Realität mit beiden. Weltflüchtiger und zu großer Geste im Bit- und Byte-Gewitter neigender, mitunter verträumter Pop mit verfremdeter Stimme (Auto tune, Distortion, Hackschnitzelmaschine) kennzeichnet nun das erste Langformat. Heavy Listening als Vorgabe ist programmatisch gewählt.

Gemeinsam mit Produzent Nikolaus Abit irrlichtert Veronika J. König in Songs wie CCTV oder Meddl 1000 mittlerweile recht souverän zwischen diversen Spielarten der zeitgenössischen Popmusik umher. House-Rhythmen, Trap Beats, Trance Pop werden als Referenzsysteme genannt.

Farce: "I hate Berlin"
FARCE

Nicht nur dramatisch tanzen, sondern reflexiv

Dass Autotune mittlerweile längst nicht nur dazu genutzt wird, eventuelle Stimmschwankungen und falsch erwischte Tonhöhen zu begradigen, sondern über den Umweg der künstlerischen Kreativität recht unmittelbar gegen das Publikum in Stellung gebracht wird, erfährt man bei Farce im Stück Pièce de Rèsistance. Das geht dank hübscher Melodie natürlich durch.

Neben obligatem neumodischem Zeugs finden sich nicht völlig überraschend Achtzigerjahre-Referenzen zwischen Depeche Mode, Indiepop oder Prince in dessen Sign "Peace" The Times-Phase (Socialite). Farce selbst nennt ihren Stil Crying at the Discoteque nach einem aus 2000 stammenden internationalen Hit des schwedischen Euro-Trash-Trios Alcazar. Es geht darum, nicht nur dramatisch, sondern auch reflexiv zu tanzen.

Kernstück von Heavy Listening, das etwa in Zozan obendrein eine verzerrte Gitarre bratzen und tremolieren lässt, ist wohl die zweiteilige Komposition I Hate Berlin und I Hate Berlin II. Gemeinsam mit Rapperin Blaqtea alias Ebow von den Gaddafi Girls trägt man dafür Sorge, dass nicht noch mehr Leute in die Stadt zuziehen. Alle Vollhorste sind schließlich längst schon da. Ende Oktober kann man es sagen: ein Album des Jahres. (Christian Schachinger, 23.10.2018)

Farce: "Zozan"
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