Ein Foto der kleinkalibrigen Astra aus dem Akt. Dass eine Kugel aus dieser Waffe den ehemaligen Patienten H. tötete, gilt als sicher. Ob er selbst oder sonst jemand den Schuss abgab, wird untersucht.

Foto: Der Standard

Graz – Der Fall des steirischen Arztes Dr. L., dem seine vier heute erwachsenen Kinder vorwerfen, sie über Jahre hinweg psychisch und körperlich gequält zu haben, wird – der STANDARD berichtete mehrmals – neu verhandelt. Der umstrittene Freispruch durch Richter Andreas Rom wurde aufgehoben. Der Termin, an dem das Verfahren erneut aufgerollt wird, ist noch immer nicht bekannt. Der gesamte Akt wurde aber am Montag einem neuen Richter, in Graz, nämlich Oliver Graf, übermittelt. Er ist ab sofort mit dem Fall betraut.

Prüfungen gegen Erstrichter

Gegen den Erstrichter, dessen Freispruch im Vorjahr für Aufregung innerhalb und außerhalb der Justiz sorgte, erstatteten die Kinder und die Ex-Frau des Beschuldigten damals, wie berichtet, Anzeige wegen Amtsmissbrauchs und Verleumdung bei der Wirtschafts- und Korruptionstaatsanwaltschaft (WKStA). Ob hier Anklage erhoben wird, ist immer noch nicht entschieden. Der Sprecher der WKStA, René Ruprecht, sagte am Montag auf Anfrage: "Man ist noch immer in der Phase der Anfangsverdachtsprüfung, es ist noch nichts entschieden und nichts abgeschlossen." Gründe für die Dauer dieser Prüfung könne er keine nennen. Da es sich aber um einen berichtspflichtigen Akt handle, das heißt, das Ergebnis müsse der Oberstaatsanwaltschaft vorgelegt werden, sei die lange Prüfung nicht ungewöhnlich.

Auf einem Nebenschauplatz zum Fall des Arztes, nämlich dem angeblichen Suizid eines ehemaligen Patienten von Dr. L., der in seiner Nachbarschaft wohnte, wurden indes Ergänzungen zu einem Gutachten beauftragt.

Der Mann, dessen Tochter ein Verhältnis mit Dr. L hatte und diesen später durch Zeugenaussagen im Fall um die Vorwürfe seiner Kinder belastete, starb im September 2014 durch einen Kopfschuss. Der Schuss soll zuhause abgegeben worden sein, während sich die Frau und deren neuer Freund auch im Haus befanden – nach deren Aussagen in einem Nebenraum.

Da das Opfer H. körperlich schon seit einiger Zeit beeinträchtigt war, gab es seitens seiner Tochter bald Zweifel daran, dass sich ihr Vater selbst getötet haben könne. Der bekannte Gerichtsmediziner und Sachverständige im Ruhestand, Johann Missliwetz, gab Anfang des Jahres eine Stellungnahme zu dem Fall ab, in der er betonte, dass Suizid nicht beweisbar und eine "Fremdbeibringung des Schusses nicht auszuschließen" sei, wie er dem STANDARD damals sagte.

Die Tatwaffe, eine kleine Pistole, konkret eine Astra Unceta Y Cia Guernica, Kaliber 6,35, war laut Akten Teil einer Erbschaft, die Dr. L. von einer anderen ehemaligen Patientin hinterlassen wurde. Doch über die Herkunft der Waffe und deren Registrierung gab es unterschiedliche Zeugenaussagen. Auch dieser Fall ist jedenfalls nicht abgeschlossen.

Ergänzungen zu Obduktion

Auf Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Graz bestätigte diese, dass ein Schussgutachten in dieser Causa in Arbeit sei. Vor einigen Wochen habe es dazu schon "ein kleines Zwischengutachten" gegeben, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, "aber da sind Fragen offengeblieben".

Um dieses Gutachten, das über ein mögliches Fremdverschulden Aufklärung geben sollte, abzuschließen, müssen aber noch gerichtsmedizinische Fragen geklärt werden. Denn auch hier habe die Staatsanwaltschaft vor drei bis vier Wochen noch Ergänzungen zur Obduktion angefordert. "Auf diese ergänzenden Ergebnisse will auch der Schussgutachter noch warten, bevor er seinen Bericht abschließt", heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. In welche Richtung das Zwischengutachten wies, also Suizid oder Fremdverschulden, will die Staatsanwaltschaft derzeit noch nicht offiziell kommentieren. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (Colette M. Schmidt, 22.10.2018)