Tayyip Erdoğan sprach am Dienstag über den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi.

Foto: Handout

Ankara – Drei Wochen nach dem Verschwinden des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun erstmals zu dem mutmaßlichen Mordfall Stellung genommen. Und haarsträubende Details genannt. Saudi-Arabien habe diesen bereits Tage im Voraus genau geplant, warf er der Regierung in Riad am Dienstag in einer Rede vor dem Parlament vor.

Guardian News

Teams aus dem Königreich hätten laut türkischen Erkenntnissen vor Khashoggis Besuch im Konsulat Wälder in der Umgebung der Stadt aufgesucht – möglicherweise um einen Ort zu suchen, an dem man die Leiche verstecken könnte. Am Tag des vermuteten Mordes seien die drei Gruppen dann zwischen 9.50 Uhr und 11.00 Uhr unabhängig voneinander ins Konsulat gekommen, um sich dort zu treffen. Außerdem, so der türkische Präsident, hätten die Saudis Festplatten mit Daten der Überwachungskamera des Konsulats entfernt, vermutlich um zu verhindern, dass es Aufnahmen von dem Journalisten gebe.

Nach dessen Verschwinden habe sich eindeutig herausgestellt, dass Khashoggi nach seinem Besuch im Konsulat dieses nicht wieder verlassen habe, hielt Erdoğan fest. Er bestätigte auch Meldungen vom Vortag, wonach eine Person in der Kleidung des verschwundenen Journalisten am Tag nach dem Mord das Konsulat verlassen habe und per Flugzeug aus der Türkei ausgereist sei.

In dem von den türkischen Ermittlern veröffentlichten Video ist zu sehen, wie der 57-jährige Geheimagent Mustafa al-Madani, dessen Körperbau dem Khashoggis (59) ähnelt, gegen 11 Uhr am 2. Oktober das Konsulat betritt. Er trägt ein blaukariertes Hemd und Turnschuhe mit weißer Sohle.

Vier Stunden später wurde er gefilmt, wie er das Gebäude durch den Hintereingang verließ. Dabei trug er eine Brille und einen falschen Bart sowie die grauen Hosen, das helle Hemd und das dunkle Sakko, die Überwachungskameras zufolge zuvor Khashoggi anhatte. Einzig die Schuhe wechselte er nicht.

Ein Diplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte der "Washington Post", dass die Saudis wegen dieses Fehlers die aufwendig inszenierte Geschichte mit dem Doppelgänger doch nicht verwendet hätten.

Telefonat mit König Salman

Bis zum 11. Oktober, mehr als eine Woche nach dem Verschwinden Khashoggis, habe es keine Kontakte zu Riad gegeben. Erst dann sei es zu einem Treffen mit Vertretern Saudi-Arabiens gekommen. Nachdem medialer Druck aufgebaut worden sei, habe Saudi-Arabien türkischen Ermittlern erlaubt, das Konsulatsgebäude zu durchsuchen. Und erst 17 Tage nach dem Mord, am 19. Oktober also, habe das Königshaus dann zugegeben, dass der Journalist im Konsulat getötet worden sei. König Salman habe ihm, Erdoğan, danach in einem Telefonat gesagt, dass 18 Personen wegen der Tat verhaftet worden seien. Dabei handle es sich um jene Personen, die auch die türkischen Sicherheitsdienste verdächtigt hätten.

Weitere Details zu der Tat, wie sie vor der Rede angekündigt worden waren, blieb Erdoğan zwar schuldig. Allerdings sprach er abschließend von einem "schrecklichen Mord", den sein Land weiter gewissenhaft untersuchen werde.

Auffällig direkt lobte der türkische Präsident seine Gespräche mit König Salman, mit dem er mehrfach telefoniert und an dessen Ehrlichkeit er keine Zweifel habe. Nicht erwähnt wurde in der Rede hingegen Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS), dem Berichte in regierungsnahen türkischen Zeitungen eine Verbindung zu dem Mord nachgesagt hatten.

Prozesse sollen in Istanbul stattfinden

Allerdings äußerte Erdoğan in seiner Ansprache auch eine direkte Forderung an König Salman: Die Prozesse gegen die Verdächtigen sollten in Istanbul stattfinden. Immerhin habe sich dort auch das Verbrechen ereignet.

Der türkische Präsident hatte zunächst in länglichen Ausführungen über die Außenbeziehungen der Türkei im Allgemeinen gesprochen. Er hob auch seinen jüngsten Besuch in der Republik Moldau und auf dem Balkan hervor, zu dem die Beziehungen nie besser gewesen seien. Auch dort gilt die Türkei als wirtschaftlicher und ideologischer Konkurrent Saudi-Arabiens. Außerdem sprach er über die Kontakte zu Aserbaidschan und zu Kambodscha.

Am Dienstagnachmittag hat Erdoğan außerdem der Familie von Khashoggi am Telefon kondoliert.

May-Sprecher zu Gerüchten über Leichnam

Gerüchte über das Auffinden von Teilen des Leichnams Khashoggis seien zutiefst erschütternd ("disturbing"), sagte ein Sprecher der britischen Premierminister Theresa May am Dienstag. Verschiedene Medien haben am Dienstagnachmittag Entsprechendes berichtet.

Diese Berichte sind nicht bestätigt. Der May-Sprecher ergänzte, man warte auf die Ergebnisse der türkischen Ermittlungen.

König Salman und MbS trafen Khashoggi-Familie

Am Dienstag empfing der saudische König Salman Familienangehörige des getöteten Khashoggi in Riad, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA berichtete. Auch Kronprinz bin Salman war bei dem Treffen anwesend.

Am Nachmittag besuchte MsB die hochkarätigen Wirtschafts-Konferenz "Future Investment Initiative Conference" in Riad , die von einigen Staatsvertretern boykottiert wird. So hatten etwa der US-amerikanische und der britische Finanzminister bereits am Wochenende ihre Teilnahme abgesagt. MsB blieb nur kurze Zeit, ohne eine Rede zu halten. (mesc, flon, red, 23.10.2018)