Udo Janßen war für knapp zweieinhalb Jahre an der Spitze des Wiener Krankenanstaltenverbundes und damit auch für das Krankenhaus Nord verantwortlich. Hier seien viele Fehlentwicklungen schon vor seinem Amtsantritt passiert, sagte Janßen. "Projekte eskalieren, wenn in einer frühen Phase Fehler gemacht werden."

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Wien – Mit Spannung wurde der Auftritt des ehemaligen Generaldirektors des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) erwartet. Udo Janßen wurde vier Stunden lang von den Abgeordneten der Untersuchungskommission im Rathaus befragt.

Tenor seiner Aussagen: Schwerwiegende Fehler wurden bereits gemacht, bevor er 2013 als Stellvertreter und 2014 dann als Generaldirektor dem KAV vorstand. Seine Aufgabe sei daher Schadensbegrenzung gewesen. Aber: "Die politische Einflussnahme hat am Ende ein vernünftiges Management beeinträchtigt", sagte der deutsche Arzt und Betriebswirt, dessen Vertrag 2017 vorzeitig beendet wurde.

Schuldfrage nicht eindeutig

Die Probleme beim Spitalsbau seien aber nicht alleinige Schuld bestimmter Politiker. "Ich wünsche mir manchmal auch, dass man Fehlentwicklungen an einem Detail festmachen kann. Aber bei komplexen Prozessen ist das oft nicht möglich.

Auch sein Stellvertreter, Thomas Balázs, sah Fehlentwicklungen bei den Vorgängern. Er war beim KAV seit 2013 unter anderem für das Krankenhaus verantwortlich und habe sich mit dem Ausbügeln von Fehlern bemüht. "Ohne Balázs gäbe es das Projekt in der heutigen Form wahrscheinlich nicht", sagte Janßen.

Wie viel Geld sich der KAV zurückholen kann

Das Duo verteidigte die Entscheidung, keinen Baustopp verhängt zu haben. Man habe damals schlicht nicht wissen können, "auf welchem Kostenniveau das ausgegangen wäre", sagte Balázs. Janßen sprach davon, dass man mit Baustopp heute vor einer "Bauruine" stehen würde.

2017 legte der KAV einen Kostenplan vor, laut dem 200 Millionen Euro an Regressforderungen zurückzuholen sind. Zuvor hatten mehrere Zeugen diese Höhe als unrealistisch bezeichnet. Balázs blieb aber bei seiner Einschätzung, die Ansprüche solle man jetzt auch geltend machen. Große Verantwortung für diese Schadenssumme trägt Balázs zufolge Architekt Wimmer, weil keine entsprechende Entwurfsplanung da gewesen sei.

Unter anderem um diese Regressforderungen selbst noch umsetzen zu können, hätte er damals um eine Verlängerung seines Vertrages um drei Jahre bei der damaligen Stadträtin Sandra Frauenberger angesucht. Bekanntlich wurde daraus nichts, und Balázs ist seit März nicht mehr in seiner Funktion.

Kritik an örtlicher Bauaufsicht und Projektsteuerung

Die bisher gehörten Zeugen belasteten Janßen und Balázs. Mit ihrem Antritt habe sich die Kommunikation verändert, das Projekt habe eine problematische Wendung genommen.

Balázs wies diese Darstellungen von sich. Er habe klare Aufgaben zur Organisationsentwicklung gehabt. Er kritisierte unter anderem die örtliche Bauaufsicht und Projektsteuerung. Die Kostenüberschreitung beim Krankenhaus sei "absolut massiv" und "nicht erfreulich", sagte Balász. Aber: Wenn es gelänge, die Regressforderungen umzusetzen, dann sei das Spital auch nicht "das schlechteste Projekt der Welt".

Auch Janßen sieht es anders. Er widerspreche den Kritikern – etwa seinem Vorgänger als Generaldirektor, Wilhelm Marhold – nicht, sondern verweise lieber auf den Bericht der begleitenden Kontrolle von Anfang 2014, wo nachzulesen sei, dass mit Kosten von einer Milliarde zu rechnen sei. Allerdings hielt dem die FPÖ ein internes Papier entgegen, wonach wenige Monate zuvor das Projekt noch als planmäßig beschrieben wurde, zu diesem Zeitpunkt hatte Janßen die Verantwortung schon inne.

Als Deutscher im "Wiener Biotop"

Dass er sich als deutscher Manager im "österreichischen Biotop" nicht zurechtgefunden habe, wie es Brigitte Ederer formulierte, wies Janßen zunächst zurück – ohne auf einen Seitenhieb zu verzichten. Er sei länger in seiner Position gewesen als Ederer bei Siemens in Deutschland, "wo es in solchen Positionen auf Zahlen, Daten und Fakten ankommt".

Später bestätigte er gewisse Schwierigkeiten aber doch: Janßen habe miterlebt, dass berufliche Kollegen schon in der Sandkiste miteinander gespielt hätten. Entscheidungsfindungen hätten durch persönliche Betroffenheit oft länger gedauert. Außerdem hätte er gerne mit mehr "Verve und Freiheitsgrad" gewirkt. Der Kontakt ins Stadtratbüro war allerdings eng und die Einmischung teils unübersehbar.

Wunsch nach selbstständigem KAV

So wurde Janßens Assistentin – eine ehemalige Vorsitzende des Verbands sozialistischer Studierender – aus dem Stadtratsbüro empfohlen. "Ich denke nicht, dass sie eine Politoffizierin war. Aber sie hat mir in bestimmten Fällen zugetragen, was das Selbstverständnis einer SPÖ ist und dass ich manche Entscheidungen vielleicht nochmal überdenke."

Auch Balázs hatte eine Mitarbeiterin mit VSStÖ-Vergangenheit, politische Einflussnahme wolle er aber ausschließen. "Die Frau war sehr gut qualifiziert für die Stelle und hat sich, wie andere auch, beworben."

Keinen Einfluss habe es bei Besetzungen der KAV-Direktion gegeben, sagte Janßen. Er sei von einem Headhunter kontaktiert worden, bewarb sich – sowohl für den Posten des Stellvertreters als auch später für den Posten des Direktors – und stellte sich den Hearings.

Wenig überraschend wünscht Janßen sich, dass der KAV in die Selbstständigkeit entlassen wird, "um effektiver arbeiten zu können". Er wisse aber, dass diesbezüglich in Wien "ein anderes Selbstverständnis herrsche".

"Bei aller Kritik, kein Skandal"

Nach dem Führungsduo folgten noch Zeugen, die im Hintergrund mit der Causa Krankenhaus Nord zu tun hatten: Roland König war viele Jahre lang die rechte Hand von Sonja Wehsely und traf sich auch ohne die Stadträtin mit Akteuren des KAV. Die zuvor von Janßen geäußerte Kritik wies er zurück. Müller habe man als "Schnittstelle" empfohlen, damit er lernen könne "wie wienerisch funktioniert."

Er könne beim Spitalsbau einen "Skandal an sich" nicht erkennen, bei aller Kritik. "Wenn man von einem Bauskandal spricht, hat man Bilder im Kopf, die ich beim Krankenhaus Nord nicht sehe. Es gab keinen Korruptionsfall." (lhag, van, 23.10.2018)