Die Historikerin Marie-Theres Arnbom wohnt in einem 400 Jahre alten Steinhaus am Wolfgangsee, vor dem sie gehörigen Respekt hat. Am liebsten hat sie es, wenn im Sommer die Besucher einfach herüberschwimmen.

"Die Raumhöhe im ganzen Haus beträgt ziemlich genau zwei Meter, an manchen Stellen vielleicht ein paar Zentimeter mehr. So manch großer Mann, der zu Besuch ist, stößt sich bei uns den Kopf am Plafond an und findet das ehrlich gesagt gar nicht so lustig. Und selbst ich mit meinen 1,80 Metern Körpergröße muss bei den Türdurchgängen und Rundbögen zwischen den Zimmern aufpassen. Man ist gut beraten, beim Durchschreiten stets den Kopf einzuziehen. Aber wenn man in so einem alten Haus aufwächst und mit dem Erwachsenwerden das Problem des Größerwerdens am eigenen Körper erfährt, wird das Bücken irgendwann zum Automatismus.

"Das ist kein Neubau. Das ist ein altes Haus, das in der Pflege und Reparatur intensive Arbeit abverlangt." Marie-Theres Arnbom in der Stube ihres Hauses in St. Gilgen.
Foto: Herman Seidl

Das permanente Bücken hat schon auch was Devotes. Man verbeugt sich vor dem Haus und zollt ihm auf diese Weise einen gewissen Respekt. Ganz konkret habe ich Respekt vor seinem Alter, vor seiner Geschichte, vor seinem erfolgreichen Trotzen gegen den Lauf der Zeit. Das Haus ist rund 400 Jahre alt und zählt heute zu den ältesten Wohngebäuden am Wolfgangsee. Ich selbst merke, dass es fast schon den Nimbus eines Familienmitglieds, eines alten, weisen Menschen hat. In den Chroniken von Sankt Gilgen wird es als Abtenauer Haus gelistet und ist mittlerweile eines der meistfotografierten Objekte im Ort.

In unserem Familienbesitz befindet sich das Abtenauer Haus seit 1916. Mein Urgroßvater hat damals – mitten im Ersten Weltkrieg – seine Kriegsanleihen verkauft, um dieses Haus zu erwerben, was damals ein Skandal sondergleichen war. Was Unpatriotischeres konnte man kaum machen!

Seit ich denken kann, war das Abtenauer Haus immer schon ein Treffpunkt für Freunde und Familie. Im Sommer waren immer dutzende Menschen zu Besuch. Es gibt etliche Super-8-Filme mit mir und vielen Freunden und Verwandten, die hier mit einer Selbstverständlichkeit ein- und ausgingen. Im Grunde genommen pflegen wir diese Kultur bis heute. Oft haben wir Full House, manchmal schwimmen unsere Gäste vom öffentlichen Badestrand zu uns herüber, trinken einen Kaffee, einen Tee oder einen Schnaps mit uns und schwimmen wieder retour. Ich liebe das und kann mir den Sommer gar nicht anders vorstellen.

Das ist kein Neubau. Das ist ein altes Haus, das in der Pflege und Reparatur wirklich intensive Arbeit abverlangt. Wir haben oft Hochwasser, dann steht das ganze Erdgeschoß unter Wasser. Beim letzten Mal ist mir das Wasser sogar in die Gummistiefel hineingeronnen. Entsprechend robust und flexibel sind die Möbel: Die gesamte Einrichtung ist mobil und wird im Bedarfsfall aufgebockt. Und dann wartet man ab, bis alles wieder vorbei ist. Das Trocknen dauert je nach Pegel und Überschwemmungsdauer rund ein bis zwei Wochen. Wir sind bereits ziemlich geübt darin nach all den Jahrzehnten und nehmen das Malheur jedes Mal aufs Neue mit Gelassenheit.

Auch als Historikerin interessiere ich mich für die Häuser im Salzkammergut und für ihre Geschichten. Schon meine Diplomarbeit habe ich diesem Haus gewidmet und dabei aus unseren Gästebüchern die Sommerfrischegesellschaft der Zwischenkriegszeit rekonstruiert.

Und eines will ich unbedingt noch loswerden: Wenn ich in Sankt Gilgen bin, dann trage ich gerne Dirndl, weil das für mich zur Geschichte dieses Ortes dazugehört. Und ich lasse mir die Pflege dieser Tradition nicht von irgendwelchen politischen Parteien nehmen!" (29.10.2018)