A. Brad Schwartz: "Broadcast Hysteria: Orson Welles's War of the Worlds and the Art of Fake News", 352 Seiten, Hill and Wang 2015.

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Orson Welles auf einem Bild aus dem Jahr 1938.
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Los Angeles – Vor 80 Jahren, am 30. Oktober 1938, löste der junge Orson Welles mit einer Hörspiel-Version von H. G. Wells' Science-Fiction-Klassiker "Krieg der Welten" in den USA eine Massenpanik aus, weil viele Hörer die lebendige Darstellung einer marsianischen Invasion für echt hielten ...

... so ist es in die Kulturgeschichte eingegangen, und manche glauben es bis heute. In jüngerer Vergangenheit konnten Historiker aber Schritt für Schritt rekonstruieren, dass sich die angebliche Panik in Wirklichkeit sehr in Grenzen hielt. Sie war lediglich von den damaligen Zeitungen aufgebauscht worden.

Minderheitenprogramm

"Einige Leute mögen wirklich Angst gehabt haben, doch es war keine Massenhysterie, wie lange angenommen wurde", erklärt A. Brad Schwartz, Geschichtsforscher an der Princeton University. Der 28-Jährige ist Autor des 2015 erschienen Buches "Broadcast Hysteria: Orson Welles's 'War of the Worlds' and the Art of Fake News".

Inzwischen weiß man, dass das auf CBS gesendete Hörspiel des damals erst 23-jährigen Orson Welles überhaupt nur von einer Minderheit gehört wurde. Vor allem eine beim Konkurrenzsender NBC laufende populäre Comedy-Sendung reduzierte das potenzielle Publikum der Fake-Reportage von der Mars-Invasion. Und von denjenigen, die "Krieg der Welten" gehört hatten, war wiederum nur einer Minderheit entgangen, dass Welles und sein Team vor und nach der Sendung Entwarnung gegeben hatten, dass es sich nur um einen Halloween-Streich handle.

A. Brad Schwartz spricht über "Krieg der Welten" im Kontext von Fake News.
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Die Restmenge der Besorgten wurde dann von den Printmedien auf ihrer Suche nach neuen Themen ausgeschlachtet, so Schwartz. "Die Zeitungen mussten schnell ihre Schlagzeilen für den nächsten Morgen schreiben", erklärt der Historiker. Im Wettkampf um Leser, auch gegen die Konkurrenz des jungen Mediums Radio, überboten sich reißerische Meldungen: "Radioshow versetzt Nation in Schrecken", meldete der "Boston Daily Globe". "Viele flüchten aus ihren Häusern 'vor Gasangriff vom Mars'", titelt die "New York Times". In Wahrheit gab es laut dem Forscher keine weit verbreitete Panik und schon gar keine Selbstmorde aus Angst, wie ebenfalls kolportiert wurde.

Briefe geben Einblick

Erst in den vergangenen Jahren wurden die Mär von der angeblichen Massenhysterie ausgeräumt. Bei seinem Studium an der Universität von Michigan wertete Schwartz erstmals über 1.400 Briefe aus, die Hörer nach der Radiosendung geschrieben hatten. Viele hätten Welles als Genie gepriesen, aber auch ihre Sorge über den Effekt von Massenmedien ausgedrückt. "Eine Frau schrieb, sie habe sich nicht etwa vor Marsmenschen gefürchtet, sie sorge sich aber vor einer leicht zu verdummenden Öffentlichkeit".

Zum 80. Jahrestag des Hörspiels werden die Briefe jetzt digitalisiert und Schulen und Colleges als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt. "Das Material kann uns heute noch über die Wirkung von Fake News warnen", sagt Schwartz. "Es könnte Leute lehren, nicht alles, was sie auf Twitter lesen, auch zu glauben". (red, APA, 25. 10. 2018)

Und zum Abschluss: So hörte sich das damals an. Das komplette Hörspiel, Dauer knapp eine Stunde.
David Webb