Traurig, wenn im Fall eines Journalistenmordes ein Exjournalist auftaucht. Traurig, wenn herauskommt, dass er für Geld den Ermordeten und andere Journalisten verfolgte, beobachtete und die Informationen an jemanden weitergab, dessen Name mit der Mafia in Verbindung steht. Traurig, wenn das in einem Land im Herzen Europas passiert. Willkommen in der Slowakei, einem Land, das bis zum Mord an Ján Kuciak als hochdemokratisch bezeichnet wurde. Seit Februar 2018 gilt das nicht mehr. Und je mehr Informationen in diesem Mordfall auftauchen, desto weniger Gründe für Optimismus gibt es.

Schmutzige Spielchen

Die Täter sind bekannt und des Mordes beschuldigt. Den Auftraggeber aber kennt man bislang nicht. Obwohl ein Name bereits kursiert: Marian Kocner. Ein kontroverser Unternehmer, der zurzeit wegen Wirtschaftsdelikten in Untersuchungshaft sitzt. Ein Mann, der gewisse Zeit der engste Nachbar von Expremier Robert Fico in der bekannten Wohnanlage Bonaparte war. Ein Mann, der jahrelang die Zuneigung der höchsten politischen Spitzen der Slowakei genossen hatte und sich deshalb als unantastbar fühlte. Nichts lief ohne ihn. Er kannte jeden, und jeder kannte ihn.

Ob Kocner auch als Auftraggeber des Mordes an Kuciak beschuldigt wird, ist noch unklar. Aber was noch interessanter ist: Bisher war nicht bekannt, dass zusammen mit Kocner auch ein ehemaliger Journalist seine schmutzigen Spielchen machte. In den Neunzigerjahren war Peter Tóth ein Stern am journalistischen Himmel. Er schrieb Artikel gegen den damaligen Premier Meciar. Viele wunderten sich, woher er so viele gute Informationen hatte. Die Antwort kam ein paar Jahre später: Tóth arbeitete auch für den Geheimdienst. Als dies bekannt wurde, hat ihn der damalige Chefredakteur der Tageszeitung "Sme" gekündigt. 2003 wurde er für ein paar Monate Chef der Spionageabwehr. Dann tauchte er unter und widmete sich verschiedenen anderen Aktivitäten, bis er nach vielen Jahren nun wieder auftauchte.

Neun Monate nach der Ermordung Kuciaks und seiner Verlobten ist Tóth wieder da. Laut letzten Informationen hat er bei der Polizei eine Aussage gemacht. Er soll zugegeben haben, Kuciak und weitere vier bekannte slowakische Journalisten geheim verfolgt und beobachtet sowie die Informationen an Kocner weitergegeben zu haben. Natürlich ging es dabei um Geld. In den vergangenen Tagen kam ans Licht, dass er höchstwahrscheinlich nicht allein handelte. Geholfen haben dürfte ihm dabei wohl auch ein ehemaliger Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes (STB), der beim Finanzamt arbeitete. Fast dreißig Jahre nach der Wende tauchen hier wieder die Praktiken aus der Vergangenheit auf. Abscheuliche Manieren aus den Zeiten, die wir schon längst vergessen glaubten. Tóth und sein(e) Komplize(n) machten das, was typisch für den kommunistischen Staatssicherheitsdienst, für den sowjetischen KGB oder den Geheimdienst in den Meciar-Zeiten war.

Praktiken der Vergangenheit

Die einfache Frage, warum sich der Exjournalist erst nach neun Monaten gemeldet hat, bietet viele mögliche – auch gefährliche – Antworten. Hatte er Angst und wollte sich schützen? Warum aber erst jetzt? Hat er wirklich seinem Freund Kocner geglaubt, als er ihm kurz nach dem Mord gesagt hatte, er habe nichts damit zu tun? Das klingt sehr unwahrscheinlich für jemanden, der sich jahrelang in den Geheimstrukturen des Staates bewegte. Oder geht es hier um etwas ganz anderes? Kocner war ein "Sammler", er muss bestimmt eine Menge kompromittierender Materialien haben, die viele Leute jetzt extrem nervös machen. Wenn diese Unterlagen verschwinden, würden sich viele freuen. Da könnte die Hilfe eines erfahrenen "Soldaten" des Geheimdienstes sehr nützlich sein. Die wichtigste Frage lautet also: Wer wird geschützt? Wer ist der Hauptprotagonist in diesem Mordspiel? Kocner ist es bestimmt nicht. (Nancy Závodská, 29.10.2018)