Thomas Drozda wird nicht der letzte Politiker sein, der sich vor einem Gemälde fotografieren ließ. Jedes Kunstwerk im Hintergrund ist besser als eine nackte oder schmuddelige Wand. Dazu verleiht zeitgenössische Kunst eine Aura, die für das Überwinden alter Strukturen und Denkmuster steht. Bei seinen Antrittsinterviews als SPÖ-Bundesgeschäftsführer hätte er sich das besser verkniffen – gerade in seiner Funktion als SPÖ-Kultursprecher und Vorsitzender des Kulturausschusses, der sich jüngst über die "Nullbilanz" seines Nachfolgers als Kulturminister, Gernot Blümel (ÖVP), mokierte.

Das nun vielfach dokumentierte Gemälde von Kurt Kocherscheidt hätte sich nicht in den Räumlichkeiten der Parteizentrale befinden dürfen. Im Raum drinnen II (1990) ist eine Leihgabe des Belvedere aus Drozdas Ära als Kulturminister. Sein Wunsch, das Bild in sein Parlamentsbüro zu übersiedeln, wurde vom Museum im Dezember 2017 genehmigt. Nicht akkordiert war jedoch der Transport in die Löwelstraße.

Das Gemälde von Kurt Kocherscheidt hätte sich nicht in den Räumlichkeiten der Parteizentrale befinden dürfen.
Foto: Corn

Die ÖVP ist nachhaltig empört, habe sich Drozda damit doch über Verträge zum Staatseigentum hinweggesetzt. Der Gescholtene bedauerte und gestand den Fehler ein. Am Mittwoch wird das Corpus Delicti abtransportiert.

Das Problem lag am Standort: Die Parteizentrale ist weder ein museal genutztes Gebäude, noch befinden sich hier Repräsentationsräume der obersten Organe des Bundes. Mit anderen Worten: Leihgaben aus Bundesbesitz haben dort nichts verloren.

In der strengen Auslegung ihres gesetzlichen Rahmens dürften Bundesmuseen Objekte überhaupt nur im Ausstellungs- und Forschungsbereich verleihen. Die gängige Praxis ist eine andere und war 2010 vom Rechnungshof kritisiert worden. Er empfahl damals, alle zu Ausstattungszwecken an öffentliche Stellen verliehenen Objekte zurückzufordern.

Karin Kneissl schauen Maria Theresia und ihr Ehemann Franz Stephan I. von Lothringen (Meytens-Schule, 18. Jh.) über die Schulter.
Foto: Matthias Cremer

Teils wurde das umgesetzt, teils ignoriert und munter weiter verliehen: Die Wände des Außenministeriums schmücken schon einige Jahre Kopien nach Alten Meistern aus dem Kunsthistorischen Museum (KHM). Karin Kneissl schauen etwa Maria Theresia und ihr Ehemann Franz Stephan I. von Lothringen (Meytens-Schule, 18. Jh.) über die Schulter.

Gernot Blümel (ÖVP) ließ sein Büro mit Leihgaben aus dem Mumok (re., Lichtinstallation von Brigitte Kowanz), dem Leopold Museum und der Künstlerin Martha Jungwirth (li.) ausstaffieren.
Foto: BKA/Regina Aigner

Gernot Blümel (ÖVP) ließ sein Büro mit Leihgaben aus dem Museum moderner Kunst (Mumok, Lichtinstallation Beyond Words von Brigitte Kowanz) und dem Leopold-Museum (Weiblicher Rückenakt von Koloman Moser) ausstaffieren.

Auf martialische Atmosphäre setzt Vizekanzler Heinz-Christian Strache: mit Bildern aus dem Heeresgeschichtlichen Museum (HGM).
Foto: APA/Ronald Zak

Auf martialische Atmosphäre setzt Vizekanzler Heinz-Christian Strache: mit Bildern aus dem Heeresgeschichtlichen Museum (HGM), einer dem Bundesministerium für Landesverteidigung nachgeordnete Dienststelle. Dazu gehört ein die Koalitionskriege 1792-1815 glorifizierendes Schlachtenbild (Kopie nach Johan Peter Krafft von 1877, Erzherzog Carl in der Schlacht bei Aspern).

Dekoratives aus dem Depot

Bei den erwähnten Leihgaben aus dem HGM und KHM handelt es sich um Werke, die sonst nie gezeigt, sondern im Depot verwahrt würden. Die meiste Kunst ist im Bundeskanzleramt zu finden. Aktuell zeigt das Mumok dort zwölf Leihgaben. Wer sich fragte, vor welchem orangen "Gebilde" neuerdings Kanzler & Co nach dem Ministerrat Aufstellung nehmen: Dabei handelt es sich um Maja Vukojes Kiwano (2016).

Die mit Abstand legendärste Ausstattung leistete sich einst übrigens Claudia Schmied (SPÖ), die sich damit eine parlamentarische Anfrage einhandelte. Als Interior-Designer fungierte Peter Noever, damals noch Direktor des Museums für angewandte Kunst (Mak). Schmieds Kunst-Eldorado umfasste Sitz- und Liegemöbelklassiker von Friedrich Kiesler, Le Corbusier oder Jean Prouvé: Die Kosten beliefen sich auf knapp 40.000 Euro netto. Hinzu kamen ein "Daybed" von Mies van der Rohe aus dem Mak-Bestand und eine Plexiglasinstallation von Hans Kupelwieser, die kurz zuvor für 18.181 Euro von der Artothek angekauft worden war.

Die mit Abstand legendärste Ausstattung leistete sich einst übrigens Claudia Schmied (SPÖ), die sich damit eine parlamentarische Anfrage einhandelte.
Foto: Regine Hendrich

Mit mehr als 37.000 Exponaten ist die Artothek des Bundes eigentlich die Anlaufstelle, wenn es um die dekorative Ausstattung mit Kunst in Bundesdienststellen im In- und Ausland geht. Welche Alternativen Thomas Drozda hat, nun, da das Kocherscheidt-Gemälde abtransportiert wird? Falls es Grafiken auch täten, könnte er im Angebot der Musa-Artothek stöbern: Gerahmt und verglast schlagen sie sich mit einer Leihgebühr von 2,5 Euro pro Bild und Monat zu Buche. (Olga Kronsteiner, 30.10.2018)