"Gegenkampagnen" zeigen, wie wichtig und mächtig #MeToo geworden ist.

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Schauspielerin Elke Winkens spricht im "News"-Interview über ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Und sie übt Kritik an der #MeToo-Bewegung sowie an der Berichterstattung im Fall Rafreider: "Tiefstes Mittelalter – das ist diese Art, jemanden öffentlich an den Pranger zu stellen." "Im Zweifel für den Angeklagten", das sei in diesem Fall "abgeschafft" worden.

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Elke Winkens erzählt in einem "News"-Interview von ihren Vergewaltigungen und dass sie lange daran gearbeitet habe, sich aus der Opferrolle zu befreien. Sie habe als Reaktion auf die Gewalt einen "Männerhass" entwickelt, und "lange ein ganz miserables Bild von Männern gehabt – zu Unrecht". Sie wollte leben und nicht jammern.

Es ist sehr nachvollziehbar, dass frau sich aus einer Opferrolle befreien will. Experten sprechen auch absichtlich von Betroffenen von sexualisierter Gewalt und nicht von Opfern. Der Begriff verdeckt, dass Betroffene Handlungsmöglichkeiten haben, selbst agieren können – und sich nicht über den Übergriff definieren (lassen) wollen. Eine solche Handlungsmöglichkeit ist, das Schweigen zu brechen. Das ist für viele ein befreiender Schritt, um die eigene Geschichte, und die Erzählung darüber selbst in der Hand zu haben. Ich erlebe in der #MeToo-Debatte keine "jammernden" Frauen – sondern solche, die sich endlich wehren wollen und die handeln.

Kampagnen und Gegenkampagnen

Infolge von sexualisierter Gewalt einen "Männerhass" zu entwickeln, ist ebenso grundsätzlich nachvollziehbar, aber überhaupt nicht zwingend. Im Interview suggeriert Winkens, dass auch die Protagonisten der #MeToo-Bewegung von einem solchen Hass getrieben wären, jeder Mann würde zum Täter gemacht. Mit dieser Einschätzung liegt die Schauspielerin aber definitiv falsch. Nie haben die Wortführer dieser Debatte behauptet, alle Männer seien Täter. Dieser Eindruck entsteht erst durch die Gegenkampagne #NotAllMen, mit der versucht wird, die Relevanz des Themas herunterzuspielen. Ebenso hat nie jemand behauptet, eine schlechte Anmache oder verbale Übergriffe wären genauso schlimm wie eine Vergewaltigung – auch das ist eine Strategie der #MeToo-Gegner.

Winkens sagt, sie wende sich jetzt an die Öffentlichkeit, weil sie die mediale Berichterstattung zum Fall Rafreider so wütend gemacht habe. Tatsächlich spielt (wie immer) der Boulevard eine verheerende Rolle in der medialen Auseinandersetzung. Was in der Beziehung von Roman Rafreider geschehen ist, wird ein Gericht beurteilen – das liegt nicht in der Hand der beobachtenden Öffentlichkeit. Zu Recht.

Betroffenheit und Glaubwürdigkeit

Was die beobachtende Öffentlichkeit aber sehr wohl beurteilen kann, ist, wie Rafreider mit der Situation umgeht. Da gibt es eine Stellungnahme, dass er aus Rücksicht auf die Privatsphäre seiner Ex-Freundin nichts sagen möchte – um dann postwendend in einer Interviewrunde mit Medien diskreditierende Details auszubreiten.

Was Winkens nun macht, ist perfide. Sie verwendet ihre eigene Betroffenheit, um Glaubwürdigkeit zu erlangen – um anderen Betroffenen die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für diese Frauen. Aber: Auch solche "Gegenkampagnen" zeigen, wie wichtig und mächtig #MeToo geworden ist – die Bewegung wird sich davon nicht verunsichern lassen. (Sigrid Maurer, 30.10.2018)