Sebastian Kurz nahm zum offiziellen Wahlkampfauftakt 2017 Anleihe bei US-Politikern: Die ÖVP mietete die Wiener Stadthalle, tauchte sie in Türkis und füllte sie mit 10.000 Fans. Das frisst Budget.

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Sebastian Kurz hat nichts gegen strenge Regeln, sagt er. Gehe es nach ihm, könne man schon neue Begrenzungen zur Wahlkampffinanzierung einziehen. Noch besser sei es aber, erklärt der ÖVP-Chef, wenn die aktuellen Vorgaben befolgt würden: "Das Problem, das ich viel eher sehe, ist, dass die Regeln ja von vielen nicht eingehalten werden." Das war im August 2017, mitten im Nationalratswahlkampf. Die damalige wie auch aktuelle Regelung: Jede Partei darf sieben Millionen Euro in den Wahlkampf investieren. Inzwischen weiß man, was die türkise Kampagne tatsächlich gekostet hat: knapp 13 Millionen Euro, fast das Doppelte also.

Geld bis zum Overflow

Auch die Freiheitlichen liegen deutlich über der gesetzlichen Grenze: 10,7 Millionen hat die Partei in ihre Vermarktung im Vorjahr gesteckt. Die SPÖ überschreitet das Limit mit 7,3 Millionen Euro nur leicht. Die Zahlen wurden von den Parteien selbst an den Rechnungshof übermittelt. So sieht es das Parteiengesetz vor.

Die ÖVP hat sechs Millionen Euro zu viel ausgegeben, die FPÖ über drei Millionen und die SPÖ 400.000 Euro.
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Die Opposition tobt, seit die Zahlen öffentlich wurden, und fordert härtere Strafen für politische Kostensünder. Doch was nützt das doppelte Budget? Was ist der Werbewert von sieben Millionen Euro? Und: Benötigt eine Partei einfach so viel Geld für einen guten Wahlkampf?

Es geht billiger

Wolfgang Rosam, PR-Stratege mit gutem Draht zu Sebastian Kurz, glaubt, es geht auch mit weniger: "Mit sieben Millionen Euro kann man eine gute Kampagne machen", sagt er. Es sei ein Irrtum, dass mehr Geld einen besseren Wahlkampf bedeute. "Irgendwann kommt es zu einem Overflow, dann erreicht man keine zusätzlichen Menschen, denn zu viele Plakate übersättigen."

Rosam glaubt, dass gute Werbung überhaupt nur ein Viertel einer gelungenen Kampagne ausmache. "Am wichtigsten sind klare Botschaften, TV-Auftritte und die Persönlichkeit des Spitzenkandidaten." Gut investiert sei das Geld der ÖVP in den gigantischen Wahlkampfauftakt von Kurz in der Stadthalle gewesen: "Das war sehr amerikanisch und für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich, aber die Funktionäre waren begeistert und wurden mobilisiert und somit zu Multiplikatoren. Das ist viel mehr Wert als die zehnte Plakatwelle", erklärt Rosam.

Budget heißt Präsenz

Etwas anders sieht das Lothar Lockl, Politikberater und Mastermind hinter der Kampagne von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "Natürlich ist mehr Budget ein extremer Vorteil – was Aufmerksamkeit betrifft, was Präsenz betrifft, wie viel Raum man in der Öffentlichkeit und in den Medien einnimmt." Deshalb hält Lockl auch eine Obergrenze für wichtig. Schließlich könnten sich sonst reiche Unternehmer – wie etwa einst Frank Stronach – einen Startvorteil erkaufen. Oder ausländische Investoren einen heimischen Kandidaten befördern. Gleichzeitig müsste es dennoch eine Mindestfinanzierung geben, sodass auch Bewegungen außerhalb des klassischen Parteienspektrums Chancen haben.

Kurz habe beides genutzt: Die Strukturen der ÖVP und Spenden von Privatpersonen, erklärt Lockl. "Der klassische Wahlkampf nach altem Stil ist tot. Durch die neuen Mischformen aus Parteienwahlkampf und Grassrootmobilisierung entstehen rechtliche Graubereiche, die wir noch ausloten müssen", sagt der Berater.

Überschreitung als Straftat

SPÖ, Neos und Liste Pilz haben bereits Ideen: Der pinke Klubchef Niki Scherak fordert einen Straftatbestand für überschrittene Wahlkampfkosten. 150 Prozent des Überschreitungsbetrags sollen als Geldstrafe anfallen, finden die Neos. Im Fall der ÖVP wären das aktuell rund neun Millionen Euro. Die derzeitige Regelung sieht Strafen in der Höhe von zehn bis 20 Prozent des Betrags, mit dem überzogen wurde, vor.

"ÖVP und FPÖ haben das Gesetz gebrochen. Und jetzt sind sie noch nicht mal einsichtig, sondern ducken sich weg", sagt Scherak. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda wirft der ÖVP-Spitze Lüge vor und pocht ebenfalls auf schärfere Sanktionen. Die Liste Pilz sieht in der Überschreitung der Wahlkampfkosten einen "unfassbaren Gesetzesbruch ohne Genierer". ÖVP und FPÖ halten hingegen die Kostenaufstellung der SPÖ für unglaubwürdig. (Katharina Mittelstaedt, 30.10.2018)