So manch ein Trend wird nur mit spitzen Fingern angefasst. Das Leopardenmuster ist so ein Fall. Dabei ist kaum ein Muster so reizvoll wie jene tierischen Flecken. Nicht umsonst breiten sie sich in diesem Winter epidemieartig auf Mänteln, Taschen, Strumpfhosen aus. Gleichzeitig hat kaum ein Muster so sehr mit seinem Ruf zu kämpfen: Leopardenmuster zu tragen galt schon immer als Wagnis. Daran haben auch stilvolle Leomuster-Trägerinnen wie Jackie Kennedy oder Edie Sedgwick in den letzten Jahrzehnten nichts ändern können.
Bis heute ist was hängengeblieben vom schmuddeligen, verschwitzten Image jenes Musters, das Rainer Werner Fassbinder Anfang der 1980er-Jahre in seiner letzten Rolle als Polizeileutnant Jansen (im Film "Kamikaze") zu einem großen Auftritt verhalf. Jansen, dem Alkohol nicht abgeneigt, trug über dem orangefarbenen Hemd einen exzentrischen Leopardenanzug. Wenn man so will, gehörte das Leomuster zu den letzten Statements des deutschen Regisseurs, Motto: Scheiß drauf, was die anderen denken. Zieh an, wonach dir ist!
Trotzdem braucht es heute kaum mehr Mut, das Haus in einem Leopardenmuster zu verlassen. Die Mäntel von Max Mara oder Calvin Klein zum Beispiel haben sich jeglicher verschwitzten Zweideutigkeit entledigt.
Nur noch in Ausnahmefällen dient es als Vorlage für klassische Altmännerfantasien: Beim Unternehmen Calzedonia zum Beispiel verwandelt sich die Frau beim Überziehen der Leo-Strumpfhose in eine sexy Raubkatze.
Ansonsten wirkt sich die Entsexualisierung des Leopardenmusters vor allem positiv aus. Seit niemand mehr Angst davor haben muss, sich mit ihm einzulassen, kennen selbst die keimfreien Influencerinnen auf Instagram kein Halten mehr. Sie kokettieren mit allem, was mehr als einen Flecken hat. Und erhoffen sich wohl auch, ihr handzahmes Image loszuwerden.
Die Chancen stehen schlecht, dass diese Rechnung noch aufgeht. (Anne Feldkamp, 8.11.2018)