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Jeremy Corbyn muss sich und seine Labour Party gegen Antisemitismusvorwürfe verteidigen. Nun ermittelt Scotland Yard wegen möglicher "antisemitischer Hassverbrechen".

Foto: REUTERS/Yves Herman

London – Die britische Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf "antisemitische Hassverbrechen" in der oppositionellen Labour Party. Die Ermittlungen stützten sich auf ein Dossier mit internen Dokumenten, das der Polizei am Dienstag weitergeleitet worden sei, teilte Scotland Yard am Freitag mit.

Die Dokumente enthalten demnach Äußerungen, die strafrechtliche Ermittlungen rechtfertigen. Bei der Untersuchung geht es offenbar um Hassbotschaften, die Labour-Mitglieder in sozialen Netzwerken gepostet haben sollen, darunter: "Wir sollten die Juden loswerden, die ein Krebsgeschwür für uns alle sind." Das Dossier mit 45 Fällen war dem Radiosender LBC zugespielt worden, der es an die Polizei weiterleitete.

"Es sieht so aus, als ob hier Verbrechen begangen worden sein könnten", sagte Scotland-Yard-Chefin Dick. Das Material werde nun von besonders geschulten Ermittlern geprüft. Die Polizeichefin betonte, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Labour Party als Ganzes richteten.

Auch eigene Untersuchungen

Labour selbst hatte in den vergangenen Monaten heftig über Antisemitismus in den eigenen Reihen debattiert. Die Partei kündigte am Freitag eine vollständige Zusammenarbeit mit den Ermittlern an. Sie rief Opfer der Hassbotschaften auf, sich bei der Polizei zu melden. Labour werde selber untersuchen, ob Verstöße gegen Parteirichtlinien durch eigene Mitglieder vorlägen.

Vizeparteichef Tom Watson bezeichnete die Einleitung der Ermittlungen als "durch und durch deprimierend". Der Schritt der Polizei habe ihn angesichts der antisemitischen Vorfälle in seiner Partei "leider nicht überrascht", sagte er in der BBC. "Wenn Menschen hier Hassverbrechen begangen haben, müssen sie die ganze Härte des Gesetzes zu spüren kriegen. In der Labour-Partei ist für sie kein Platz."

Im März hatten führende Vertreter der jüdischen Gemeinden in Großbritannien in einem Brief an Labour offenen Antisemitismus beklagt. Besonders Parteichef Jeremy Corbyn ergreife "immer wieder" Partei für antisemitische Positionen, hieß es: Der Parteichef sei "ideologisch so sehr auf seine weit links stehende Weltsicht fixiert, dass er den jüdischen Gemeinschaften der Mitte instinktiv feindselig gegenübersteht".

Corbyn will Schlussstrich

Wegen früherer Äußerungen, Taten und Kontakte sah sich Corbyn immer wieder dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. Er und mehrere seiner Mitarbeiter wurden etwa beschuldigt, auf Facebook Mitglieder linker Gruppen zu sein, in denen andere antisemitische Kommentare posten und Zweifel am Holocaust äußern würden.

Corbyn hat sich stets als Teil der antiimperialistischen Linken verstanden, die Israel als kolonialistischen Staat begreift und vor diesem Hintergrund antizionistische Politik betreibt. Dabei war der spätere Labour-Chef auch immer wieder in Kontakt mit Gruppen, die Kritik an der Politik Israels mit plumpem Antisemitismus befeuern. Die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah bezeichnete er 2009 als "Freunde", wofür er sich allerdings später entschuldigte.

Im August dieses Jahres hatte Corbyn zugegeben, dass es ein "echtes Problem" mit Antisemitismus in seiner Partei gebe. Labour arbeite daran. Beim Parteitag im September räumte er dann ein, der Antisemitismusstreit habe "immense Verletzungen und Ängste in der jüdischen Gemeinschaft hervorgerufen und zu großem Unmut in der Partei geführt". Er hoffe, "wir können zusammen einen Schlussstrich ziehen". (APA, red, 2.11.2018)