Neuer Lebensabschnitt, Prüfungsdruck, Zukunftsangst: Viele Studierende leiden unter Erschöpfung.

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Studierende sind oft stark belastet. Wie sehr, zeigen nun Studien im Auftrag zweier deutscher Krankenkassen. 64 Prozent der deutschen Studierenden leiden unter Migräne oder Kopfschmerzen – das sind rund 1,8 Millionen Betroffene. Diese Zahlen sind das Ergebnis einer kürzlich in Berlin veröffentlichten Studie der Krankenkasse Barmer. Bei fast jedem Dritten ist demnach der Alltag durch das Kopfweh deutlich beeinträchtigt.

Besonders häufig leiden Studierende unter Migräne. Rund 62 Prozent der kopfschmerzgeplagten Akademiker geben an, von solchen Attacken betroffen zu sein. Mehr als ein Drittel (35,2 Prozent) wird von sogenannten Spannungskopfschmerzen geplagt und drei Prozent der Kopfschmerzen werden durch den falschen Gebrauch von Kopfschmerzmedikamenten verursacht.

Die Umfrage belegt nach Angaben von Barmer-Chef Christoph Straub den bereits länger bekannten Trend zu mehr Kopfschmerzerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen.

Vorboten eines Burnouts

Fast zeitgleich wurden die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) mit der Freien Universität Berlin und der Techniker Krankenkasse (TK) veröffentlicht. Über 6.000 deutsch Studierende wurden befragt. Den Ergebnissen nach klagt jeder vierte Studierende über ein hohes Stresserleben (25,3 Prozent) und Erschöpfung (24,4 Prozent) – mögliche Vorboten eines Burnouts.

Besonders weibliche Studierende fühlen sich psychisch belastet: So gibt jede fünfte Studentin (21,2 Prozent) an, unter den Symptomen einer sogenannten generalisierten Angststörung zu leiden und jede sechste Studentin hat Anzeichen eines depressiven Syndroms (16,9 Prozent).

Orientierungslos und überfordert

"Die Gründe, warum so viele Studierende psychische Probleme haben, sind vielfältig. Zum einen beginnt mit dem Studium ein neuer Lebensabschnitt: Studienplanung, Prü-fungsordnung, eventuell eine neue Stadt – alles ist neu. Häufig fühlen sich die jungen Studierenden dadurch orientierungslos und überfordert", so Burkhard Gusy von der Freien Universität Berlin, einer der beiden Studienleiter.

"Hinzu kommen Prüfungsdruck, Zweifel und Zukunftsangst. Viele Studierende stehen nach dem Studium auch mit hohen BAföG-Schulden (staatliches Darlehen zur Finanzierung des Studiums in Deutschland, Anm.) da. Da lastet ein enormer Druck auf den jungen Hochschulabsolventen – teilweise auch durch die hohen Ansprüche an sich selbst. Das kann Ängste und schlimmstenfalls auch eine Depression hervorrufen", so der Wissenschaftler.

Der Bedarf an gesundheitsfördernden Maßnahmen an den Hochschulen sei daher nach wie vor hochaktuell. Laut TK gehe es darum, gesundheitsförderliche Strukturen zu entwickeln, die langfristig Stress und Belastung reduzieren und für ein positives Lern- und Forschungsklima sorgen.

Unterschiede nach Fächern

Dabei sind das Stresserleben und die psychische Belastung in den einzelnen Fächergruppen sehr unterschiedlich. Vor allem die Studierenden in den Sprach- und Kulturwissenschaften geben an, von Angststörungen (22,5 Prozent) und Depressionen (18,3 Prozent) betroffen zu sein. Dicht gefolgt von den Studierenden in der Fächergruppe Sozialwissenschaften/Psychologie/Pädagogik (18,4 Prozent Angststörungen bzw. 18,0 Prozent Depressionen). Mental am besten geht es den Studierenden aus den Bereichen Medizin und Gesundheitswissenschaften (14,8 Prozent Angststörungen und 10,6 Prozent Depressionen).

"Inwiefern die Ursachen für diese Ergebnisse tatsächlich in den Fächern selbst begründet liegen, muss in künftigen Studien näher erforscht werden", sagt Sandra Buchholz, Leiterin der Abteilung Bildungsverläufe und Beschäftigung am DZHW. "Möglicherweise bestehen die Unterschiede im Stresserleben und in den psychischen Belastungen von Studierenden bereits vor Studienbeginn. Fächerunterschiede könnten auch darauf zurückzuführen sein, dass sich die Zusammensetzung von Studierenden, beispielsweise mit Blick auf die Anteile von Frauen und Männern, zwischen den Fächern unterscheidet", so Buchholz weiter.

Führungskräfte von morgen

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: "Die Studierenden von heute sind die Mitarbeiter und Führungskräfte von morgen. Was sie an Gesundheits-Know-how an der Uni lernen und erleben, transportieren sie nach dem Abschluss mit in die Arbeitswelt. So entsteht in der Gesellschaft ein Gesundheits-Selbstverständnis, von dem wir alle profitieren." (red, APA, 4.11.2018)