Die Geschichte lehrt: Sozialdemokraten geraten mit ihren Statussymbolen nicht selten in die Kritik. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda trug sein Posieren vor dem Gemälde "Im Raum drinnen II" parteiintern bereits den Spitznamen "Prozda" ein.

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Im Nationalratswahlkampf sorgten die adretten Anzüge von SPÖ-Chef Christian Kern für Debatten. Ebenfalls Thema: die dicke Uhr von Sohn Niko.

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Kerns Vorvorgänger Alfred Gusenbauer verbreitete sich einst im "Profil" zu Barolo, Brunello und Co – seine Gegner attestierten ihm Abgehobenheit.

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Ex-Finanzminister Hannes Androsch brachte es wegen seiner vielen Anzüge zu Schlagzeilen.

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Kanzler Franz Vranitzky wurde von den Bürgerlichen das Image des "Nadelstreifsozi" umgehängt.

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Kaum sechs Wochen im Amt, muss sich der neue SPÖ-Bundesgeschäftsführer parteiintern schon mit einem despektierlichen Spitznamen herumschlagen: Thomas Drozda (53), früher Kanzleramtsminister, nun Vertrauter und rechte Hand von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, werde in einigen roten Sektionen Wiens bereits abfällig "Prozda" genannt, wie ein unzufriedener Genosse erzählt – eine Anspielung auf den nicht gerade bescheidenen Lebensstil des nunmehrigen Parteimanagers.

Denn Drozda hat sich in seiner jüngsten Funktion zweimal selbst ins Gerede gebracht: zuerst mit seiner sündteuren Uhr am Handgelenk ("Ich will und werde mich dafür nicht rechtfertigen"), dann mit einer 19.000 Euro schweren Originalleihgabe des Belvedere, die ihm bei Antrittsinterviews in seinem neuen Büro in der Löwelstraße als Hintergrund diente. Pikanterweise konnte Drozda für den Transport des Gemäldes von Kurt Kocherscheidt in die rote Zentrale keine explizite Genehmigung vorweisen – was vor allem die nunmehrige Kanzlerpartei ÖVP genüsslich ausschlachtet, auch wenn das Kunstwerk mittlerweile retourniert ist.

Doch warum nimmt man offenbar ausgerechnet Sozialdemokraten die Insignien des Wohlstands besonders übel? Dürfen Politiker, die für soziale Gerechtigkeit eintreten, gar selbst kaum etwas besitzen?

Barolo und Penthouse

Fest steht, dass Drozda nicht der erste SPÖ-Mann ist, der wegen zur Schau gestellter Opulenz in Verruf gerät: Unvergessen bleibt etwa, wie sich der Vorsitzende Alfred Gusenbauer in den Nullerjahren – auf dem Höhepunkt einer Debatte rund um eine harte Pensionsreform – im Profil über exquisite Weine verbreitete, passende Speisenfolge inklusive. Ebenfalls äußerst beeindruckend in Sachen Selbstzerstörung: Fritz Verzetnitsch, der als Gewerkschaftsboss hoch über der Wiener Innenstadt in einem Penthouse thronte.

In den Achtzigerjahren wiederum hatten die Bürgerlichen Franz Vranitzky, vormals Banker, dann Kanzler und SPÖ-Chef, das Image des "Nadelstreifsozi" umgehängt. Davor war Vizekanzler und Finanzminister Hannes Androsch ein unsozialistischer Lebensstil unterstellt worden – damals sorgten seine angeblich 108 Anzüge für Schlagzeilen.

Auch im Vorjahr, im Nationalratswahlkampf, sorgten die auffällig adretten Anzüge von Christian Kern, damals noch Kanzler und SPÖ-Chef, für Spott (Slim Fit!). Vom politischen Gegner ebenfalls höhnisch angeprangert wurde die dicke Armbanduhr seines Sohnes Niko Kern. Spitzfindige Beobachter wollten darin ein besonders wertvolles Exponat in der Preisklasse eines Kleinwagens erkannt haben – was bei Facebook, Twitter und Co für bissige Kommentare sorgte.

Abheben in der Holzklasse

Zwar leben auch viele konservative Politiker alles andere als in Armut und Bescheidenheit, doch Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz fliegt zu Terminen im Ausland in medialer Begleitung seit geraumer Zeit Economy-Class, im Volksmund auch Holzklasse genannt – nicht zuletzt, um statt Abgehobenheit Bodenständigkeit zu demonstrieren und keine Neiddebatten anzuzetteln.

Andreas Babler, Traiskirchner Bürgermeister und bundesweit als SPÖ-Parteirebell bekannt, schwört von jeher Protz und Pomp ab: "Der SPÖ-Spitze ist schon vor langer Zeit das G'spür abhandengekommen, wie man als Sozialdemokrat authentisch bleibt", lautet sein Befund zur aktuellen Aufregung rund um Drozda.

Babler selbst verzichtete auf den Dienstwagen seines Vorgängers, den Mercedes ersetzte er bei der Neuanschaffung durch einen Peugeot. Doch derzeit werde er in seiner Buschenschank in Niederösterreich ständig auf Drozdas Uhr angesprochen: "Am Stammtisch prangern die Leute die 'Verbonzung' an", ärgert sich Babler. Für einen SPÖ-Politiker sei es wichtig, mahnt er in Richtung Wien, "auf jene zu schauen, die am Ende des Monats nichts mehr auf der Kante haben" – und dafür müsse man eine gewisse Sensibilität an den Tag legen.

Finger weg vom Luxus

Auch der langjährige SPÖ-Berater Josef "Joe" Kalina, der einst Gusenbauers Barolo-GAU hautnah miterlebt hat, heute als PR-Profi und Trendforscher tätig, rät den Genossen, von allzu offensichtlichem Luxus "die Finger zu lassen". Denn im digitalen Zeitalter seien etwa Handy-Schnappschüsse via soziale Netzwerke rasch verbreitet – und dann gerate man vor allem als Sozialdemokrat in Erklärungsnotstand, anstatt für seine Ausführungen zu notwendigen Reformen entsprechenden Raum zu bekommen.

Zwar stammten die roten Säulenheiligen Victor Adler und Bruno Kreisky aus großbürgerlichem Milieu, doch im dritten Jahrtausend bestehe auch bei den Medien eine große Bereitschaft, den persönlichen Lebensstil von Politikern zu durchleuchten, erklärt Kalina. Und die klassische Klientel der SPÖ, die meist nur 2000, maximal 4000 Euro brutto verdiene, reagiere auf jegliche Prasserei der oberen zehntausend äußerst allergisch. Dazu gelte in Österreich und Deutschland, wo man bis heute sein Einkommen selbst vor den besten Freunden geheim halte, Reichtum geradezu "als Makel" – anders als in den USA.

Stolz und Status

Warum es dann gerade manchen Spitzenrepräsentanten der SPÖ so schwerfällt, sich an diese ungeschriebenen Gesetze des Landes zu halten? Der Politikanalytiker Peter Filzmaier hat dazu folgende Theorie parat: Vor allem in einer Arbeiterpartei sei man auf den Politikertypus aus bescheidenen Verhältnissen so stolz, der es zuerst durch Bildung, später durch Fleiß ganz nach oben geschafft habe. Daher werde "die Geschichte des Aufstiegs" stets gern betont, so Filzmaier. Aber dadurch entsteht auch eine Zwickmühle, denn: "Einige übertreiben es dann mit den Statussymbolen, die zeigen, dass sie jetzt genug Geld verdienen" – und in SPÖ-Kreisen gelten genau diese Zeichen als besonders fatal in Sachen Glaubwürdigkeit und anvisierte Umverteilung.

Für Babler sind sauteure Uhren, Schmuck und Co aber gar nicht die Hauptgründe der Entfremdung der Parteispitzen vom Volk: "Am wichtigsten ist es, dass Politiker dieselbe Sprache sprechen wie jene, die sie erreichen möchten." Dabei gehe es weniger um Dialekt als um die richtige Tonalität. "Doch die Bundes-SPÖ sieht man nicht an Stammtischen", kritisiert Babler, "aber vielleicht gehört das auch nicht zu ihrer Aufgabe". (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 4.11.2018)