Fühlen Sie sich schlecht, weil Sie Ihre Kleidung spottbillig kaufen? Weil das T-Shirt bei H&M zehn, manchmal sogar fünf Euro kostet? Ich mich nicht, zumindest bislang. Aber ehrlich gesagt habe ich darüber auch noch wenig nachgedacht. Ja, die Bilder sind schrecklich, und Rana Plaza habe ich bis heute im Kopf – mehr als 1.100 Menschen sind beim Einsturz von Textilfabriken in Bangladesch 2013 gestorben.

Aber so übel die Jobs für uns hier in Österreich wirken mögen, zumindest schaffen Fabriken für die Menschen dort Arbeit. Ländern bieten sie die Chance, der extremen Armut zu entfliehen. Zumindest habe ich mir das bisher eingeredet. Jetzt will ich es wissen. Gibt es dafür eigentlich irgendwelche Belege?

Bevor ich loslege, erst einmal herzlich willkommen! Sie lesen alles gut?, eine neue Serie des STANDARD, in der ich über eine bessere Welt nachdenke. Ich will lernen, welchen Beitrag ich leisten kann, und verstehen, wie die Welt so wurde, wie sie ist. Weil ich weiß, dass ich damit nicht allein bin, nehme ich Sie auf meine Reise mit. Am einfachsten sind Sie mit dem Newsletter dabei, für den Sie sich hier kostenlos anmelden können.

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Fangen wir klein an, bei meinen T-Shirts. Sorgen Konzerne, die in armen Ländern produzieren, für bessere Verhältnisse vor Ort?

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H&M arbeitet in Bangladesch mit einer Vielzahl an Zulieferern.
Foto: reuters / tessier

Vor einem Jahr wurden Ergebnisse einer Studie präsentiert, die das zumindest anzweifeln. Zwei Ökonomen der University of Chicago und der Oxford University haben sich dieselbe Frage gestellt wie ich mir. In einem Experiment in Äthiopien, wo gerade mit viel ausländischem Geld Fabriken entstehen, haben sie tausend Bewerber ein Jahr begleitet.

Ihre Annahmen waren ähnlich wie meine: Die Jobs sind schlecht, aber immerhin Jobs. Zu ihrer Überraschung kündigte die Mehrheit binnen weniger Monate. Sie gingen zurück an den Bau oder verkauften Kleinigkeiten am Markt. Und: Die Fabrikarbeit brachte nicht mehr Geld ein als die sonstige und war noch dazu gefährlicher. Übrig blieb in der Fabrik nur ein Drittel der Menschen. Jene, die sonst nichts fanden.

Was heißt das für mich? Weil ausländische Fabriken gebaut werden, in denen meine Kleidung entsteht, verbessert sich nicht automatisch das Leben. Die Jobs sind mies, für die, die in einem der ärmsten Länder der Welt sonst gar keine Optionen haben aber immerhin ein kleines Einkommen.

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Eine Arbeiterin im Hawassa Industrial Park in Äthiopien.
Foto: reuters / negeri

Wenn Fabriken keine Wunderwaffe im Hier und Jetzt sind – verbessern sie dann zumindest auf längere Sicht die Lage in den Ländern? Ich blicke in meinen Kasten, nehme eine Jogginghose heraus. Made in Bangladesh steht da – kein Zufall, das Land ist nach China zum zweitgrößten Produzenten von Textilien aufgestiegen.

Fast alles, was Bangladesch ins Ausland verkauft, sind T-Shirts, Pullover und Socken. H&M lässt dort in unzähligen Fabriken produzieren. Wenn meine Nachfrage also gut für die Welt ist, dann muss es sich in Bangladesch zeigen. Tut es das? Wie sich herausstellt: Ja!

Yale-Ökonom Musfhiq Mobarak, er ist in Bangladesch aufgewachsen, hat genau dazu geforscht. Seine Studie legt nahe, dass der Textilsektor das Leben von Frauen im Land fundamental zum Besseren verändert hat. Von den vier Millionen Menschen, die in den Fabriken arbeiten, sind nämlich fast alle Frauen. Ihre Lebenserwartung ist seit 1990 um 16 Jahre gestiegen. In Österreich nur um vier Jahre.

Der Textilsektor hat daran wohl einen großen Anteil. Denn das Leben jener, die in der Nähe von Fabriken wohnen, hat sich besonders verbessert. "Mädchen heiraten später und bleiben länger in der Schule", sagt Mobarak. "Früher war die Schule nicht so wichtig." Heute bekämen jene, die gut lesen, schreiben und rechnen können, bessere Jobs – in den Fabriken. "Weil sich die Schule jetzt eben später auch einmal finanziell auszahlt."

Die Studie von Mobarak ist kein Ausreißer, sie fügt sich in viele andere Arbeiten ein, die gemeinsam ein positives Bild zeichnen. Menschen finden nicht nur Arbeit, in Südasien verdienen sie im Textilsektor auch mehr als auf dem Land, mit der Zeit haben Menschen die Chance, bessere Jobs zu finden, und lokale Firmen profitieren vom ausländischen Know-how (Studien dazu sind unten verlinkt.)

Wie sich die Lage in Bangladesch verbessert, können Sie anhand dieser Grafik nachvollziehen. Je weiter links ein Land, desto ärmer ist es, je weiter unten, desto niedriger die Lebenserwartung. Bangladesch wandert Schritt für Schritt nach rechts oben, entwickelt sich also toll.

Ist dann also alles gut? Nicht ganz. "Das Leben mit Fabriken scheint besser als ohne", sagt Mobarak. "Das heißt aber nicht, dass Sie nichts tun können." Firmen hätten wenige Anreize, in bessere Standards zu investieren. Zwar sind die Fabriken in Bangladesch heute deutlich sicherer als vor dem Einsturz von Rana Plaza (siehe Interview) – damit aber nicht tausend Menschen sterben müssen, damit sich etwas ändert, müssten Konsumenten wachsam sein.

"Überlegen Sie, ein bisschen mehr Geld für bessere Kleidung zu bezahlen", rät mir Mobarak. "Üben Sie Druck auf Firmen aus, bei denen Sie einkaufen, oder kaufen Sie Kleidung, die unter gewissen Standards produziert wurde."

Aber was ist bessere Kleidung, und wo kriegt man sie? Bei welchen Firmen kann ich einkaufen, wenn ich mich nicht damit abfinden will, dass sich die Lage eh dann irgendwann einmal bessert? Wie ich lernen musste, ist das gar nicht so einfach. In der nächsten Folge von "alles gut?" werde ich mir das näher ansehen. Wenn Sie sich für den kostenlosen Newsletter oben anmelden, kriegen Sie eine Nachricht, wenn sie erscheint. (Andreas Sator, 25.11.2018)