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Auch wenn US-Präsident Donald Trump auf keinem Wahlzettel der Midterm Elections steht, so sind die Wahlen doch ein Votum über ihn und seine Politik.

Foto: Reuters / Carlos Barria

Auf der Zielgeraden haben sie noch einmal alle Kräfte mobilisiert, die beiden Männer, deren Namen auf keinem Stimmzettel stehen und um die sich im Wahlkampffinale dennoch fast alles dreht. "Ich habe gesehen, wie sie diesen wunderbaren Stacheldraht an unserer Grenze ausgerollt haben", rief Donald Trump auf einer Bühne in Florida, nachdem er einmal mehr vor einer "Karawane" von Flüchtlingen aus Mittelamerika gewarnt hatte.

Barack Obama, der sich fast zwei Jahre lang mit Kritik an seinem Nachfolger zurückgehalten hatte, nahm bei einem Auftritt in Indiana kein Blatt mehr vor den Mund. "Was wir noch nie erlebt haben, solange ich zurückdenken kann, sind Politiker, die offenkundig, wiederholt, frech und unverschämt lügen." Da versuche man, den Leuten allen Ernstes einzureden, die größte Gefahr für Amerika bestehe in einem Treck gebrochener Menschen. Weil es um das Selbstverständnis des Landes gehe, mahnte der Ex-Präsident, sei diese Wahl so ungeheuer wichtig.

In jedem Fall ist sie ein aufschlussreicher Test. Es ist das erste Mal, dass Trumps Amtsführung an den Urnen beurteilt wird. Beim Kongressvotum entscheidet sich nicht nur, ob er ungebremst weiterregieren kann, ohne dass die Legislative in der Lage wäre, ihm in die Parade zu fahren. Es entscheidet sich auch, ob er seine Vision von Amerika, einem Amerika, das dem Rest der Welt mit egoistischer Härte begegnet, noch rabiater als bisher verfolgen kann.

Allmacht oder Alternativen

Erhalten die Republikaner keinen Dämpfer, dürfte sich der Präsident glänzend bestätigt fühlen. Lassen sie Federn, werden sie beginnen, nach Alternativen zu suchen, sowohl nach personellen zu Trump als auch nach inhaltlichen. Bislang war die große Mehrheit der Konservativen nur allzu bereit, sich Trump zu fügen. Das kann sich ändern, sollten die Wähler signalisieren, dass sie nach dem uramerikanischen Prinzip der "checks and balances" ein Parlament wollen, das ein bremsendes, einhegendes Gegengewicht zur Regierung bildet.

Die Demokraten müssten netto 23 Mandate im Repräsentantenhaus hinzugewinnen. Dazu müssen sie Anhänger mobilisieren, die bei Midterm-Wahlen häufig zu Hause bleiben, allen voran die Jüngeren und die Hispanics. Sie müssen im Speckgürtel um die Großstädte punkten, in eigentlich konservativem Milieu, wo die Frauen der weißen Mittelschicht mit dem Staatschef hadern. Zudem dürfen sie im Rust Belt, wo Trump im Duell gegen Hillary Clinton einen Nerv traf, keine Sitze verlieren.

Mehrheit für Demokraten wahrscheinlich

Der Versuch, den Republikanern auch die Mehrheit im Senat abzunehmen, scheint indes nahezu aussichtslos. FiveThirtyEight, die Website des prominenten Statistikers Nate Silver, hält hingegen eine demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu rund 85 Prozent für wahrscheinlich. Falls es so kommt, bekäme die Opposition zwar die Kontrolle über die Ausschüsse im Repräsentantenhaus. Sie könnte Untersuchungen einleiten, die Trump in Verlegenheit bringen, etwa dann, wenn sie Interessenkonflikte zwischen Geschäftsimperium und politischem Amt unter die Lupe nimmt. Den Präsidenten seines Amtes zu entheben, dazu bedarf es aber einer Zweidrittelmehrheit der Senatoren. Um die zu erreichen, müsste Robert Mueller, der Sonderermittler der Russland-Affäre, schon eine Bombe platzen lassen.

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DER STANDARD

Die Demokraten stehen nach dem Votum womöglich vor einer Richtungsentscheidung: Linke gegen Moderate. Oder, um es mit Symbolfiguren zu sagen: Alexandria Ocasio-Cortez, die 29-jährige New Yorkerin, die als jüngste Frau der US-Geschichte ins Abgeordnetenhaus einziehen dürfte, gegen Conor Lamb, einen Ex-Soldaten der Marineinfanterie, der in Pittsburgh ein Mandat zu verteidigen hat und unbeirrt die politische Mitte besetzt. So hell Ocasio-Cortez' Stern strahlt, meist sind es Gemäßigte wie Lamb, die für die Demokraten ins Rennen gehen. Holen die Blauen die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer, werden die Moderaten im Aufwind segeln. Scheitern sie, könnte nach heftiger Debatte ein Linksruck folgen. Vielleicht zu weit nach links, um 2020 die Präsidentschaftswahl gewinnen zu können. (Frank Herrmann aus Washington, 6.11.2018)