Betritt man das kleine, unscheinbare Geschäft am Sunset Boulevard von Los Angeles, ist es dort kühl und dunkel wie in einer Cowboybar. Ein junger Verkäufer, der in seinem Gehabe einem Schauspieler ähnelt, verstellt den Weg zum Atelier des Hutmachers Gunner Foxx, das sich im hinteren Bereich des Geschäftslokals befindet.

"Haben Sie einen Termin?", fragt er und schaut wie in einem Nachtclub auf eine Liste. Sobald das abgeklärt ist, ist der Weg frei zu einem Atelier mit Ziegelwänden, in einem Regal sind alte Hutformen aus Holz angeordnet. Gunner Foxx trägt einen Zylinderhut, seine mit Ringen geschmückten Hände haben schon Hüte für so manchen Star geformt.

Gunner Foxx ist Hollywoods Hutmacher – er hat das Handwerk von seinem Großvater gelernt.
Foto: Connor Robertson

STANDARD: Auf welchen Kunden sind Sie besonders stolz?

Gunner Foxx: Dass Bob Dylan zu meinen Kunden zählt, finde ich fantastisch.

STANDARD: Der hatte doch schon Probleme, seinen Nobelpreis abzuholen. Ist er selbst zu Ihnen ins Atelier gekommen?

Foxx: Hier durch den Hintereingang! Er hatte einen Hoodie an, hat sich auf einen Stuhl gesetzt und mich gefragt, ob er mir bei der Arbeit zusehen dürfe. Vier Stunden saß er beobachtend da. Ich habe ihn gefragt, ob er Wasser oder irgendetwas zu essen will: Nein. Er saß einfach nur da und hat alles in sich aufgenommen. Er liebt jede Art von Handwerk.

STANDARD: In Märchen wird Hüten eine gewisse Zauberkraft zugeschrieben ...

Foxx: Klar, wie Tarnkappen! Unter einem Hut kann man sich, aber genauso eine Glatze verstecken. Mit einem Hut wirkt man größer. Der Schatten der Hutkrempe schmeichelt dem Gesicht, weil er die Gesichtszüge weicher macht. Bei einem Hutkauf sind Gesichts- und Körperform sowie die Körpergröße wichtig. Die Sängerin Erykah Badu ist klein. Ich habe einige Hüte für sie gemacht. Sie liebt diese verrückten Teile, die bis zu einem halben Meter hoch sind.

STANDARD: Wo haben Sie Ihr Handwerk gelernt?

Foxx: Von meinem Großvater, bei ihm bin ich aufgewachsen. Wir haben ein wenig außerhalb von Los Angeles in Boyle Heights gewohnt, heute ist das eine hippe Gegend, in der junge Künstler leben. Das Atelier meines Großvaters war seine Garage. Sehen Sie diese Hutformen (zeigt auf die Regale)? Sie wurden für verschiedene Kopfformen, rund, oval, länglich, gefertigt. Und dann gibt es noch Formen für Hutkrempen und Blöcke für Zylinderhüte. Ich habe noch weitere 400 bis 500 Blöcke in meinem Haus, das sind kostbare Erbstücke meines Großvaters. Er hat sie alle selbst geschnitzt.

STANDARD: Arbeiten Sie im gleichen Stil wie Ihr Großvater?

Foxx: Mein Großvater ist durch Mundpropaganda bekannt geworden. Einer seiner Kunden war der Countrysänger Johnny Paycheck. Mein Großvater hat ihm ein paar klassische Cowboyhüte gemacht und mit einer Note Coolness versehen. Das war damals in der Szene ein neuer Stil. Den habe ich übernommen. Wie er mache ich hauptsächlich Cowboyhüte und Fedoras. Johnny Paycheck jedenfalls kannte viele Leute aus der Filmszene, und bald bekam mein Großvater Aufträge von Steve McQueen, Marlon Brando und anderen Typen.

STANDARD: Kamen die alle zu ihm in die Garage?

Foxx: Ja, klar. Sie brachten ihren Lieblingshut mit, dann nahm er die Maße des Hutes und des Kopfes ab. Das Hutatelier war wie ein Clubhaus. Steve McQueen, Robert Mitchum, Johnny Paycheck und viele andere hingen dort herum, rauchten, tranken und quatschten, während mein Großvater an ihren Hüten arbeitete. Als Kind waren das für mich nur ein paar alte Knacker. Ich wollte mit anderen Kindern spielen und nicht immer nach der Schule bei meinem Großvater assistieren.

STANDARD: Sie wurden aber trotzdem Hutmacher!

Foxx: Nachdem mich mein Großvater für den Scorsese-Film "Gangs of New York" mit an Bord genommen hatte, war mir klar, dass das mein Beruf werden sollte. Das war der erste große Film, an dem ich mit ihm arbeitete. Scorsese und die Kostümbildner wussten genau, was sie wollten: ungefähr 415 Hüte, auf alt getrimmt. Die Hüte für Daniel Day-Lewis und Leonardo di Caprio wurden perfekt angefertigt, aber für die vielen Statisten haben wir simple Hüte ohne Innenfutter und Bänder gemacht.

Foto: Connor Robertson

STANDARD: Woraus bestehen Ihre Hüte?

Foxx: Zu hundert Prozent aus Biberfilz, jeder meiner Hüte ist reine Handarbeit. Die Innenseite hat ein Schweißband aus Lammleder, das Ripsband ist aus Baumwolle.

STANDARD: Stellen Sie auch Lederhüte her?

Foxx: Nein, durch Regen und Hitze verzieht sich das Leder und reißt. Biberfilz ist hundertprozentig wasserresistent, meine Hüte haben eine lebenslange Garantie. Wenn ein Hut ins Meer geworfen wird, restauriere ich ihn. Und wenn Musiker auf Tour sind, müssen Hüte sowieso robuster und stabiler sein. Sie werden nämlich oft in eine Ecke geschleudert oder von der Bühne gefetzt.

STANDARD: Und Ihre Maschinen hier?

Foxx: Damit nähe ich die Schweißbänder. In den Hut werden sie dann per Hand eingenäht. Alle Materialien, die ich verwende, vom Faden über die Nadel und den Filz bis hin zum Leder, sind "Made in the USA". Das ist zwar teurer, muss aber so sein. Die Goldfolien mit meinem Logo drucke ich selber.

STANDARD: Wie genau entsteht so ein Hut?

Foxx: Ich nehme Maß, dann bearbeite ich den rauen, groben Filz mit Dampf und einer Art Schmirgelpapier. Am wichtigsten aber ist der Dampf. Die Dampfmaschine ist noch von meinem Großvater. Ich kann sie von trocken bis ganz nass-feucht einstellen, je nach Hutform.

STANDARD: Wie lange arbeiten Sie an einem Hut?

Foxx: Zwischen einer und drei Wochen. Was Sie hier sehen, sind Fedoras mit verschieden großen Krempen. Die meisten sind für Axl Rose, für seine "Guns and Roses"-Tour, so wie dieser hier (Foxx zeigt auf einen auberginefarbene Hut mit großer Krempe).

STANDARD: Schöne Farbe, wie kommt die Patina zustande?

Foxx: Das ist ein spezieller Prozess, den mein Großvater und ich entwickelt haben. Die Hüte sollen aussehen, als wäre man mit ihnen wochenlang durch die Prärie galoppiert. Schauen Sie mal, was da in der Innenseite des Hutes steht. Axl wollte das unbedingt.

STANDARD: Da steht in Goldschrift "Axl fucking Rose" ...

Foxx: So etwas gefällt ihm (lacht). Für Axl mache ich nun schon seit zehn Jahren die verschiedensten Hüte. Für seine neue Tour hat er sich ein paar auf Instagram angesehen und eine bestimmte Form ausgesucht. Als er das Modell dann fertig sah, war er euphorisch: "Dieser Hut wird zu meinem Markenzeichen!" Beim Rest hat er mir freie Hand gelassen. Er meinte nur: "Mach mir fünf Hüte, und mach sie wie du willst."

STANDARD: Arbeiten Sie allein, ohne Assistenten?

Foxx: Ja, deshalb bin ich manchmal für drei Jahre ausgebucht. Ich habe zwei verschiedene Typen an Kunden. Die einen wollen Hüte, die alt und gebraucht aussehen, die anderen wollen einen klassischen Cowboyhut oder einen Fedora.

STANDARD: Schicken die Kunden Ihnen die Maße zu? Wie oft muss man zu einer Hutprobe kommen?

Foxx: Mir ist es egal, ob Sie John Smith von der Straße oder Johnny Depp sind. Viele der Stars sagen: "Mein Stylist bringt die Maße vorbei." Ich antworte dann: "So geht das bei mir nicht. Ich kann nur einen perfekten Hut anfertigen, wenn ich selbst Maß nehme." Jeder muss einmal in mein Studio kommen – oder ich komme zu ihnen. Einen Kopf und die Hutgröße zu messen dauert zehn Minuten.

STANDARD: Was kosten Ihre Hüte, dieser für Axl Rose zum Beispiel?

Foxx: Die Preise variieren zwischen 1295 und 2500 Dollar. Axls Hut kostet 2500 Dollar. Wenn man Sterlingsilber, Gold oder Diamanten auf seinem Hut möchte, dann steigt der Preis natürlich. (Cordula Reyer, RONDO, 22.11.2018)

Da gibt's auch Hüte!

Foto: Hersteller

Super Duper Hats
Die Schwestern Veronica und Ilaria Cornacchini und Matteo Gioli produzieren in Florenz Hüte mit Dreh.
www.superduperhats.com

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Mühlbauer
Der Wiener Klassiker, seit 1903: Seit die vierte Generation am Zug ist, sind die Hüte noch ein Stückchen cooler.
www.muehlbauer.at

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Maison Michel
Das 1936 gegründete Pariser Unternehmen entwirft unter der Leitung von Priscilla Royer auch für Chanel und Co.
www.michel-paris.com

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Clyde
2010 hat die Kanadierin Dani Griffiths ihr kleines Hutunternehmen Clyde gegründet: für Trendbewusste!
www.clyde.world