Wien – Das Thema Menschenrechte ist seit dem Amtsantritt des äthiopischen Premierministers Abiy Ahmed vor sieben Monaten und der von ihm betriebenen Öffnung des Landes nicht mehr tabu. Darauf wies Berhanu Negussie, Repräsentant der in dem ostafrikanischen Land tätigen Hilfsorganisation "Menschen für Menschen", anlässlich eines Wien-Besuchs hin.

"Traditionsbedingte Gewalt wie zum Beispiel Genitalverstümmelung und Kinderehen dürfen jetzt das genannt werden, was sie sind: Verletzungen der Menschenrechte", sagte Negussie, einer der ersten Mitarbeiter der 1981 von Schauspieler Karlheinz Böhm gegründeten Organisation. "Menschen für Menschen" verfolgt den Ansatz, die Lebens- und Einkommenssituation von Bewohnern eines der ärmsten Länder der Welt durch einen integrativen Ansatz zu verbessern. Dazu gehören Landwirtschaft, Bildung, Gesundheit und einkommenstärkende Maßnahmen wie zum Beispiel Bienenzucht.

Aufklärung über Beschneidung

"Wir haben immer Aufklärung über Beschneidung und Kinderehen betrieben – eingegliedert in den Bereich Gesundheit, indem wir die gesundheitlichen Folgen solcher Praktiken thematisiert haben", erläuterte Negussie im Gespräch mit der APA. Vorsicht ob der gewählten Formulierungen sei geboten gewesen, da man nie ganz sicher sein konnte, ob nicht ein Informant der lokalen Regierungsbehörde anwesend war.

Abiy Ahmed habe auch ausländische Hilfsorganisationen zugelassen, die für die Einhaltung von Menschenrechten tätig sind. Diese NGOs waren 2005 nach Wahlverlusten der Regierungspartei aus dem Land verbannt worden. Für lokale NGOs wurde eine solche Arbeit de facto unmöglich gemacht, da die Auflage, dass 90 Prozent ihrer Mittel aus Äthiopien zu kommen hatten, nicht erfüllbar war.

Der österreichische Zweig von "Menschen für Menschen" hat im vergangenen Jahr mehr als 3,7 Millionen Euro an Spenden gesammelt und ist aktuell in drei Projektgebieten tätig. Die Bereitschaft der Menschen in Österreich, für Entwicklungszusammenarbeit zu spenden, ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark geschrumpft. 1996 gaben noch elf Prozent aller Spender dafür Geld, 2017 waren es nur noch fünf Prozent.

"Nicht in Österreich tätige Organisationen tun sich schwerer als in der Vergangenheit, Spendenmittel zu lukrieren", konstatiert Alexandra Bigl vom "Menschen für Menschen"-Vorstand. Angesichts der in Teilen der Bevölkerung herrschenden Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen und Furcht vor Zuwanderung findet sie das paradox. Auf den "Trend, auf die eigene Nation zu schauen", wies auch der Empathieforscher Claus Lamm von der Universität Wien am Montagabend bei einem "Abend der Menschlichkeit" hin, zu dem "Menschen für Menschen" ins Naturhistorische Museum geladen hatte. Anlass war der 90. Geburtstag von Karlheinz Böhm, den der 2014 verstorbene Schauspieler allerdings schon am 16. März gefeiert hätte. (APA, 6.11.2018)