Washington/Wien – Wenn die amerikanischen Wählerinnen und Wähler dieser Stunden an die Urnen schreiten, entscheiden sie nicht nur über ihren Abgeordneten im Repräsentantenhaus und in vielen Fällen ihren Senator oder Gouverneur. Denn neben den Wahlentscheidungen auf nationaler Ebene stehen auch eine Vielzahl regionaler und lokaler Entscheidungen an. Nicht alle davon sind über die Grenzen der Wahlbezirke oder der Bundesstaaten hinaus von Bedeutung. Einige aber haben reale Auswirkungen auf die Zukunft des politischen US-Systems, entweder direkt oder durch ihre Signalwirkung. Wir haben uns die vier wichtigsten angesehen – und eine, die weniger bedeutend ist.

Mehr Nachsicht im Justizsystem

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Entlassene Strafgefangene hätten ihre Schuld in Hinsicht auf die Gesellschaft abgeleistet – deshalb sollten sie künftig ihr Wahlrecht zurückbekommen, fordert eine Volksinitiative in Florida.
Foto: APA / AFP / Getty Images / John Moore

Das US-Justiz- und Gefängnissystem ist teuer, ineffizient und hart. 655 von 100.000 Einwohnern waren im Mai 2018 hinter Gittern – ein Weltrekord vor Diktaturen wie Turkmenistan und Kuba und dem Kriminalitäts-Hotspot El Salvador. Der traurige Zustand war dem "Economist" jüngst eine große Analyse wert, in der vor allem das System, in dem Staatsanwälte, Richter und Innenminister oft persönlich gewählt werden, für diesen verantwortlich gemacht wird – diese setzten im Wahlkampf auf Härte.

Wegen explodierender Kosten haben sich auch viele Republikaner Rufen nach Reform angeschlossen – doch passiert ist nicht viel. Aber: Erstmals seit Jahren stand diesmal in vielen Kampagnen für diese Posten nicht "Sicherheit", sondern Augenmaß im Fokus. Zudem gab es einige Referenden mit dem Ziel, Härten abzuschleifen: In Ohio sollte der Besitz bestimmter Drogen nicht mehr als Straftat, sondern als Verwaltungsübertretung eingestuft werden. Florida stimmte darüber ab, Ex-Häftlingen das Wahlrecht zuzugestehen. Das hätte auch politische Auswirkungen auf den Swing-State im Südosten der USA: Die rund 300.000 Personen kommen zu einem Gutteil aus Bevölkerungsschichten, deren Angehörige in ihrer Mehrheit die Demokraten wählen. Zur Annahme des Vorschlags sind 60 Prozent Jastimmen nötig.

Vorentscheidungen für die Wahl 2020

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Der Staatssenat von West Virginia ist eines der 99 Parlamente in den Bundesstaaten der USA.
Foto: AP / Steve Helber

Sie sind eine oft übersehene Wurzel republikanischer Macht in den USA: jene 99 Parlamente in den Bundesstaaten, von denen am Dienstag 87 teils oder ganz neu besetzt werden. Bisher hatten die Republikaner dort massiv die Überhand: Sie kontrollierten in 31 der 50 Bundesstaaten sowohl Repräsentantenhaus als auch Senat, in vier weiteren teilten sie die Macht mit einer von den Demokraten kontrollierten Kammer. In Nebraska, das eine einzelne, "nichtparteiische" Legislative hat, kontrollieren ebenso den Republikanern nahestehende Abgeordnete das Geschehen. Das ist von Bedeutung: Im dezentralen System der USA fallen viele Entscheidungen, die das tägliche Leben der Bürger betreffen, nicht in Washington.

Nach der nächsten Volkszählung im Jahr 2020 kommt in den meisten Bundesstaaten zudem den Parlamentskammern die Aufgabe zu, Wahlkreisgrenzen neu zu ziehen – das haben die Parteien zuletzt zum eigenen Nutzen getan.

Zufluchtsstaat für Flüchtlinge

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Wenn auch dezent, wird im unaufgeregten Oregon aber doch für ein Nein bei der Abstimmung darüber geworben, ob der Staat eine Bestimmung abschaffen soll, die Migranten schützt.
Foto: AP / Andrew Selsky

Nicht nur Präsident Donald Trump hat im Finish des Wahlkampfs auf das Thema Migration gesetzt – auch die Republikaner im traditionell demokratischen Oregon versuchten ihre Wähler so zu mobilisieren. Zu diesem Zweck stand in dem Bundesstaat eine Gesetzesinitiative auf dem Wahlzettel, mit der ein Ordnungsstatut zum Schutz von Flüchtlingen rückgängig gemacht werden sollte. Bisher dürfen laut dem Statut "keine Exekutivorgane des Staates Oregon" Mittel des Staatsbudgets zu dem Zweck einsetzen, Personen zu verfolgen, "deren einziger Gesetzesverstoß es ist, in Überschreitung nationaler Einwanderungsgesetze in den USA zu sein".

Oregon ist damit bisher ein Sanctuary-State, in dem illegal Eingereisten keine Verfolgung droht. Umfragen vor dem Wahltag sagten dem Vorhaben, dies zu ändern, eine Niederlage voraus. Sie waren aber durchgeführt worden, bevor Trump und die Republikaner ihren Wahlkampf mit der "Flüchtlingskarawane" begannen.

Ewige Sommerzeit für Kalifornien

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Luftballons ungegenständlicher und auch porträthafter Natur sollen in Kalifornien künftig ganzjährig in den sonnigen Abendhimmel steigen dürfen. Das will eine Volksabstimmung erreichen, die dem Parlament die Türen zur ewigen Sommerzeit öffnen möchte.
Foto: Reuters / Mike Blake

In Europa soll es nun doch bis 2021 dauern – in jenem Bundesstaat, der wie kaum ein anderer in den USA für Sommer und Sonne steht, soll es womöglich früher so weit sein: Die Kalifornierinnen und Kalifornier waren am Dienstag aufgefordert, in einem Referendum dem Parlament des Bundesstaates die Abstimmung über die "ewige Sommerzeit" zu ermöglichen. Die Initiative, der Umfragen große Chancen auf Zustimmung gaben, soll noch nicht das letzte Wort sein – die regierenden Demokraten haben aber angedeutet, dass sie dem Plan positiv gegenüber stehen.

Bisherige Versuche sind gescheitert: Die zwischen 1942 und 1945 geltende "Kriegszeit", auch sie eine permanente Sommerzeit in den USA, wurde wegen Beschwerden von Bauern nach dem Weltkrieg wieder beendet. Während der Ölkrise 1973 ließ Präsident Richard Nixon ebenfalls ein Jahr lang die Winterzeit suspendieren. Der Versuch wurde wegen Sorgen über den dunklen Schulweg von Kindern vorzeitig beendet.

Pferdewetten auf Videoaufnahmen

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Pferderennen sollen in Idaho auch dann noch Wettgegenstand sein dürfen, wenn sie in Wirklichkeit längst vorbei sind.
Foto: AP / Andy Brownbill

Und dann gibt es noch, so wie jedes Jahr, Abstimmungen, die eher unter dem Titel "kurios" zu vermerken sind. Eine Initiative im US-Bundesstaat Idaho will es künftig wieder erlauben, in Spiellokalen Geld auf den Ausgang historischer Pferderennen zu setzen. Die Wetten in Videoterminals sind in dem Bundesstaat eine heiß umstrittene Frage: Sie waren schon einmal, 2013, vom örtlichen Repräsentantenhaus erlaubt und zwei Jahre später wieder verboten worden, weil man, so damals die Abgeordneten, getäuscht worden sei. Gouverneur Butch Otter versuchte das Verbot damals via Veto zu stoppen. Nun sind die Wählerinnen und Wähler am Wort.

Hinter dem Streit verbirgt sich auch ein Konflikt zwischen der Glücksspiellobby und ihren Gegnern im Bundesstaat. Dieser selbst hat aber auch etwas davon: 0,5 Prozent aller Wetteinnahmen sollen in einen Fonds fließen, aus dem sich das unterfinanzierte öffentliche Schulsystem des republikanisch geführten 1,5-Millionen-Einwohner-Staates speist. (Manuel Escher, 6.11.2018)