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Umstritten: Seenotrettung im Mittelmeer.

Foto: ap/Santi Palacios

Für den deutschen Ethiker und Philosophen Konrad Ott ist die Debatte über die Flüchtlingskrise ein "Clash moralischer Überzeugungen". "Die einen denken, dass Flüchtlinge und Migranten sehr viele Rechte haben, und vertreten eine kosmopolitische Position", sagt Ott im Interview mit dem STANDARD, "die andere Seite findet hingegen, dass das partikulare Gemeinwesen mit einem Zustrom von Flüchtlingen und Migranten nicht überfordert werden sollte."

Er warnt davor, dass das Moralische ins Unmoralische umschlagen könnte: "Es kann passieren, dass jene mit der felsenfesten moralischen Überzeugung, auf der richtigen Seite zu stehen, in ein Geschehen hineingeraten, in dem sie sich nicht als Komplizen, aber unbeabsichtigt als Helfershelfer dubioser Gruppierungen wiederfinden, in diesem Fall Schlepper."

Für Maria Katharina Moser, Sozialethikerin und Diakonie-Direktorin, ist die Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik ein semantischer Trick. "Gesinnung klingt nach verstaubter Prinzipienreiterei, Verantwortung hingegen zeitgemäß, überlegt und vernünftig", schreibt sie im Kommentar der anderen. Welche Folgen "die hohe Zahl von Geflüchteten für das politische Gemeinwesen im Aufnahmeland" habe, sei zwar eine wichtige Frage, aber eben nur eine von vielen.

Otts Aussagen führten auch zu Debatten im STANDARD-Forum. Ein Auszug:

"Moral und Vernunft müssen sich die Hand reichen", findet Poster Werner Huber:

"Es ist wohl wahr, dass Moral ins Gegenteil kippen kann. Turrini hat auch recht, wenn er in seiner gerade gehaltenen Rede von der Abwesenheit der Moral in unserer Regierung spricht. Beides ist tatsächlich in den Folgen verheerend. Moral und Vernunft müssen sich die Hand reichen."

Die Rolle der Politik

Poster "dernormalewahnsinn" ist die Rolle der "rechten Politiker" suspekt:

"Die Überheblichkeit, die hier den NGOs vorgeworfen wird, gilt ebenso für die rechten Politiker. Sie sollen sich ebenfalls als Teil eines komplexen Geschehens sehen, und zwar gerade mit ihrer Moral. Die rechten Politiker finden sich bereits als Komplizen und Helfershelfer von dubiosen Gruppierungen wieder."

Die EU scheitert am nächsten Schritt, findet Poster "Pseudonym eines Feiglings a.D.":

"Weder werden Anträge in einer vertretbaren Zeit bearbeitet, noch ist eine Aufteilung der Flüchtlinge Realität. Ein nachhaltiger, praktikabler und menschlicher Prozess, um mit einer Migrationskrise fertig zu werden, sollte momentan oberstes Ziel der Politik sein, und doch ergehen wir uns in sinnlosen Diskussionen über Kopftücher im Kindergarten, das Wahlkampfbudget und dergleichen. Das ist Desinteresse seitens unserer Regierung, nicht mehr und nicht weniger."

"Beide Seiten beleuchtend"

Für Poster "Hans die Leuchte" dürfen "wir unsere Humanität nicht aufgeben" und die Seenotrettung "niemals infrage gestellt werden":

"Moralische Positionen? Seenotrettung ist Gesetz. Eine andere Frage ist, was man dann macht oder was man davor macht. Aber auch nur ein Boot kentern zu sehen und nicht zu helfen, ist keine Frage der Moral, sondern des Strafrechts."

Poster "Hortensia die Erste" ist es wichtig, "unaufgeregter zu diskutieren":

"Endlich eine Stimme, unaufgeregt, sachlich, beide Seiten beleuchtend. Das haben wir dringend gebraucht. Es ist eben nicht so einfach, und niemals hat eine Seite 'immer' recht. Und endlich spricht jemand die Gründe der einen UND der anderen Seite an. Ich hoffe, dass wir künftig auch eine Möglichkeit finden, unaufgeregter darüber zu diskutieren, auf jeden Fall immer beide Seiten im Auge zu behalten."

Schließlich noch Lob für das Interview von Christoph Landerer:

"Gerade komplexe Themen wie Asyl/Migration leben medial nicht von der Vermittlung fester Standpunkte, sondern von der Offenheit für Diskussion." (7.11.2018)