In einem "Resto VanHarte" hat Einsamkeit keine Chance. Und das Essen, so hört man, ist auch gut.

Foto: Resto VanHarte

Jeden Mittwochabend wird das Bürgerzentrum am Jonckbloetplein in Den Haag in ein Restaurant verwandelt. Es ist halb sieben, alle Tische sind besetzt, es geht los. "Heute steht ein Herbstmenü auf dem Speiseplan", verkündet Chefkoch Maarten, während die Gespräche verstummen und ihn alle erwartungsvoll anschauen.

Als Vorspeise gibt es Kürbissuppe, erfahren die Gäste, dann Risotto mit Hühnchen und zum Nachtisch Pudding. "Resto VanHarte" heißt dieses besondere Restaurant, auf Deutsch etwa "Restaurant von Herzen". Vor 14 Jahren wurde es eröffnet, speziell für einsame Menschen. Inzwischen gibt es 80 derartige Restaurants in den Niederlanden, allein in Den Haag sind es sechs.

"Eine gute Initiative", findet die 64-jährige Judith. Sie kommt schon seit sieben Jahren hierher. "Weil ich einsam bin", sagt sie, "und weil es hier immer sehr gesellig ist." Judith unternimmt viel allein, letzten Sommer ist sie ohne Begleitung in den Urlaub nach Kroatien gefahren.

"Ich brauche das"

"Ich würde mich das nie trauen", staunt Tini vom Nebentisch. Auch sie kommt jeden Mittwoch, weil das gemeinsame Abendessen sie aufheitert: "Ich brauche das. Ich bin unsicher und viel zu negativ eingestellt." Ein anderer Stammgast hatte sie überredet mitzukommen. Sonst hätte sie sich nie über die Schwelle getraut.

"So holen wir die Menschen aus der Isolation", sagt Ben Lachhat, der Manager des Restaurants, "unsere Stammgäste sind unsere Botschafter." Finanziert wird das Projekt durch Spenden und Subventionen. Lachhat und sein Koch haben eine Vollzeitstelle. Unterstützt werden sie von bis zu 25 ehrenamtlichen Helfern – vor allem junge Leute unter 30, so Lachhat: "Die sind auch oft einsam, aber die trauen sich nicht, sich hier an einen Tisch zu setzen und sich als einsam zu outen. Die schämen sich dafür. Sie helfen lieber."

Auch Kinder sind einsam

Manager Lachhat organisiert zudem regelmäßig Mahlzeiten nur für Kinder. Auch sie können einsam sein, wenn ihre Eltern sich scheiden lassen oder wenn sie in der Schule gemobbt werden: "Einsamkeit kennt keine Ränge und Stände. Es ist keine Frage des Alters und keine des Geldes. Auch in einer riesigen Villa kann man sich einsam fühlen." Aber, betont er: Einsamkeit sei immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Um es zu brechen, haben sich die Initiatoren der Restaurants 2008 mit 30 anderen Organisationen zur Coalitie Erbij zusammengeschlossen, zur "Koalition Dazugehören".

Diese Stiftung organisiert jährlich im Herbst, zu Beginn der dunklen Jahreszeit, einen "Kongress gegen Einsamkeit" und die "nationale Woche gegen die Einsamkeit". In diesen Tagen porträtiert das öffentlich-rechtliche Fernsehen Menschen, die nach Freunden suchen. So wie die 28-jährige Pearl, die aufgrund einer Bindegewebskrankheit nicht mehr arbeiten kann und kaum noch nach draußen kommt: "Es ist das Gefühl, dass niemand auf dich wartet", sagt sie, "dass die Leute dich vergessen haben." Sie hofft, dass sich durch ihren Fernsehauftritt viele bei ihr melden werden und ihr aus der Einsamkeit helfen.

"Pakt gegen Einsamkeit"

Inzwischen hat auch die Regierung das Problem erkannt und einen landesweiten "Pakt gegen Einsamkeit" geschmiedet. Das gab König Willem Alexander in seiner Thronrede im September bekannt: "Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass sich mehr als die Hälfte aller Menschen über 75 in diesem Land einsam fühlt."

Als Gegenmaßnahme bekommen einsame Menschen in Rotterdam Besuch von ehrenamtlichen Helfern. Auch Supermärkte machen mit, Frisöre und Museen: Das Amsterdamer Van-Gogh-Museum etwa hat mobile Ateliers für Malworkshops in Seniorenheimen im Einsatz.

Aktionen dieser Art, das finden auch Judith und Tini im Resto VanHarte am Jonckbloetplein in Den Haag, könne es gar nicht genug geben. Dann greifen sie erwartungsvoll zu ihren Löffeln: Die Kürbissuppe wird serviert. Wie es schmeckt? Sie strahlen von einem Ohr bis zum anderen: "Einfach lekker!" (Kerstin Schweighöfer aus Den Haag, 8.11.2018)