Der Schweizer Ivo Sasek ist Gründer der Sekte "Organische Christus-Generation" (OCG) und der "Anti-Zensur-Koalition" (AZK). Sein obskures Weltbild findet auch in Österreich Anhänger.

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Ob Adolf Hitler einer gewesen sei, der gleich nach Jesus Christus komme, fragt Ivo Sasek sein begeistertes Publikum, ohne die Antwort darauf zu geben: "Was machst du dann? Wenn das einer ist, der von dem Rang eines Apostels ist? Jetzt staunst du mich an. Verboten, so etwas zu sagen? Prüfe es doch einmal." Würde Ivo Sasek über seine krude Weltsicht nur vor einem kleinen Grüppchen reden, wäre das nicht weiter dramatisch, doch der ehemalige Automechaniker und elffache Vater predigt vor tausenden Zuhörern.

Diese Passagen stammen aus einer Rede Saseks aus dem Jahr 2014, die Nora Zoglauer zugespielt wurden, erklärt die ORF-Redakteurin, die sich für die Am Schauplatz-Reportage Der letzte Apostel? auf die Spuren des Schweizer Sektenführers begibt – zu sehen war sie am Donnerstag, um 21.05 Uhr in ORF 2. "Es ist wichtig, solche Geschichten zu zeigen, weil die Mechanismen nicht nur diese Sekte betreffen, sondern auch alle anderen", sagt die Sendungschefin Heidi Lackner. Es geht um Macht und Missbrauch. "Es ist auch nicht ungefährlich, man wird bedroht, man wird beschimpft."

Saseks Kernanhängerschaft wird auf gut 2000 Leute geschätzt, sein Dunstkreis ist aber weit größer und reicht weit in den Kosmos von rechten Verschwörungstheoretikern, Esoterikern, Holocaustleugnern bis hin zu Scientologen.

Auszug aus Ivo Saseks schriftlicher Antwort an den ORF, der ihn mit seiner Rede und dem Hitler-Vergleich konfrontierte.
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Österreich auf klagemauer.tv

Sasek ist Gründer der Sekte "Organische Christus-Generation" (OCG) und der "Anti-Zensur-Koalition" (AZK) mit Sitz im schweizerischen Walzenhausen. Nicht wenige seiner Jünger finden sich aber auch in Österreich und Deutschland. Mit klagemauer.tv betreibt der 62-Jährige einen Internetkanal, der laut eigenen Angaben in 36 Sprachen sendet. Eine Art tägliche Nachrichtenschiene gehört dazu. Thema des Tages am Dienstag, 6. November: "Vorreiterrolle: Österreich sagt Nein zum UNO-Migrationspakt" und "Was uns die Zuwanderung kostet". Am 11. Oktober widmete sich eine Sendung Jörg Haider und fragte: "Unfall, Mord oder Attentat?"

Saseks Konzept? Alles ist organisch und miteinander verbunden. "Schicksalsvereint" heißt das im OCG-Sprech: "Christus ist das Haupt, wir seine Glieder." Statt Mitgliedschaften existieren "Herzensverbindlichkeiten". Seine Botschaften verbreitet er auch in Buchform, mit Dokumentationen wie "Sexzwang" und "Impfzwang" und sogar Filmen und Musicals, die Titel wie "Karma – ich komme wieder" oder "Sophie und der Sektenboss" tragen.

Platz für Holocaustleugnerin

Auf den AZK-Kongressen traten bereits Leute wie Jürg Stettler, Chef der Schweizer Scientologen, oder die Holocaustleugnerin Sylvia Stolz auf. Die deutsche Anwältin fasste erst im Februar 2018 eine Haftstrafe von eineinhalb Jahren aus. Sasek, der ihr die Bühne bot und das Video verbreitete, wurde vom Vorwurf der Rassendiskriminierung und Beihilfe zur Holocaustleugnung freigesprochen.

Die jährlichen AZK-Treffen seien ein Sammelsurium der Créme de la Créme der rechten Verschwörungstheoretiker und nicht für jedermann zugänglich, erzählt ORF-Redakteurin Nora Zoglauer: "Man versucht Massenmedien auszuklammern, damit die nicht als Maulwürfe dort recherchieren." Der OCG gehe es längst nicht mehr rein um das Religiöse, das seit ihrer Gründung im Jahr 1997 als Klammer fungierte, sondern um eine politische Mission. Politiker würden gezielt angeschrieben, um sie für die Ideen zu gewinnen. Der Schweizer Sektenexperte Hugo Stamm warnt: "Sasek sieht sich als Apostel, der die Menschheit vor der Apokalypse ins Heil führen kann."

"Ihr Wille wurde gebrochen"

Zoglauer hat auch mit Aussteigern aus der Sekte gesprochen. Einige wollten aus Angst vor Repressionen nicht vor die Kamera, andere wiederum nur anonymisiert: "Fast alle haben schwere Gewalterfahrungen hinter sich. Ihr Wille wurde gebrochen", so Zoglauer. Eine davon ist Abigail. Als sie vier Jahre alt war, traten ihre Eltern der OCG bei. 17 Jahre später schaffte sie den Ausstieg und erzählte ihre Geschichte. Eine Geschichte, die geprägt ist von Gewalt, permanenter Furcht vor Bestrafung und dem drohenden Weltuntergang.

Aussteigerin Abigail: Ihre Kindheit war geprägt von Gewalt.
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In Saseks Erziehungsratgeber Erziehe mit Vision steht: Sind Kinder "widerspenstig und böse", so "schone deine Rute nicht". Und: "Wer seine Kinder gottgemäss erziehen will, muss über etwa so viele Züchtigungsmethoden verfügen wie eine gute Putzfrau über Putzmittel und Reinigungsmethoden."

"Mama, bitte züchtige mich!" heißt ein Erziehungsratgeber, der von drei Sasek-Kindern geschrieben wurde.
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Zu den Aussteigern gehört auch Ivo Saseks ältester Sohn. Der Sektenführer begründet das in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem ORF so: Der Weg sei ihm zu "dornig" geworden, er habe unter der "Verfolgung durch die Massenmedien" gelitten. Ein Interview wollte Sasek dem ORF nicht geben. (Oliver Mark, 8. 11.2018)