Vor vier Jahren habe ich mein Amt als EU-Kommissarin mit einer klaren Zielsetzung angetreten: Ich wollte mehr Menschen – jüngere und ältere – in Arbeit bringen. Seither sind fast zwölf Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. So viele Menschen wie nie zuvor – 239 Millionen – sind erwerbstätig. Die Jugendarbeitslosigkeit ist zwar noch immer zu hoch, bewegt sich jedoch auf dem niedrigsten je verzeichneten Stand. Auf vieles können wir stolz sein, aber wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen.

Digitalisierung, Automatisierung und der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft verändern unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Dies bringt neue Möglichkeiten aber auch Herausforderungen mit sich. Die europäische Säule sozialer Rechte ist unsere Leitschnur beim Umgang mit diesen Herausforderungen und dient der Festigung unserer sozialen Errungenschaften in einer sich rasch verändernden Welt. Nicht zufällig trägt der erste Grundsatz der Säule den Titel "Allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen", denn für diesen neuen Arbeitsmarkt mit neuen Aufgaben und Berufsbildern werden neue Kompetenzen benötigt.

Mehr Kompetenzen

Ich bin überzeugt, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung in Europa dazu beitragen kann, uns mit den Kompetenzen auszustatten, die den Bedürfnissen unserer sich rasch wandelnden Welt gerecht werden. Die Berufsbildung wird von jungen Menschen und ihren Eltern jedoch allzu oft als eine Option zweiter Wahl wahrgenommen, die eine weniger attraktive Alternative zu anderen Bildungswegen darstellt. Auch für Menschen, die bereits erwerbstätig sind oder nach einem Arbeitsplatz suchen, ist die berufliche Aus- und Weiterbildung nicht die erste Lösung, die ihnen zur Verbesserung ihrer Kompetenzen und ihrer Beschäftigungsaussichten in den Sinn kommt.

Mehr Erfolg

Ich möchte Schülerinnen und Schüler, Eltern, Arbeitsuchende und Arbeitnehmer davon überzeugen, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung ein hervorragendes Sprungbrett in die Beschäftigung ist. 75 Prozent der Absolventinnen und Absolventen einer beruflichen Aus- und Weiterbildung finden kurz nach ihrem Abschluss einen Arbeitsplatz. Dieser Erfolg zeigt uns, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung den Menschen die Kompetenzen vermittelt, die den derzeitigen Bedürfnissen der Unternehmen entsprechen.

Deshalb veranstaltet die Europäische Kommission nun zum dritten Mal eine Europäische Woche der Berufsbildung. Durch Hunderte von Veranstaltungen und Aktivitäten in ganz Europa wird auch dieses Jahr wieder die berufliche Aus- und Weiterbildung in den Fokus gerückt.

Österreichisches Modell

Das österreichische Modell der Berufsbildung gilt in der EU oft als Vorbild: Berufsbildende Programme zählen zu den wichtigsten Bildungswegen des Landes, und beinahe 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II nützen das Angebot.

Ich rufe Österreich auf, mit uns gemeinsam zu verdeutlichen, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung der Goldstandard im Bildungsbereich ist, und die Europäische Woche der Berufsbildung zu einem noch größeren Erfolg als in den Vorjahren zu machen. Wir müssen zeigen, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung den Berufs- und Lebensweg der Menschen zum Positiven verändert. (Marianne Thyssen, 9.11.2018)