Barbara Waldner und Christine Patzl in der neuen Pflegeeinrichtung am Maurer Berg: Mitarbeiterinnen wie sie zu finden ist nicht einfach.

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Wien – Der Betreuungsschlüssel war wahrscheinlich noch nirgends so gut: Mehrere Pflegerinnen begrüßten diese Woche in der neuen Pflegeeinrichtung des Hauses der Barmherzigkeit, Am Maurer Berg – St. Josef, ihre erste Bewohnerin. Die 91-jährige Schwester Juliana wird am späten Vormittag in ihr Zimmer geschoben. Dort hatten Angehörige bereits liebevoll dekoriert: Blumen, Marienbilder und Fotos schmücken das helle, ganz neue Zimmer.

Pflegeheim statt Luxuswohnungen

Dass gerade die 91-Jährige einzieht, ist kein Zufall: Die neue Einrichtung steht auf einem ehemaligen Grundstück der Schwestern Servitinnen. 1989 gründeten sie hier das St. Josefsheim, wo sie 50 pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause gaben. Es kam allerdings zu wenig Nachwuchs, um den Betrieb weiterzuführen. "Die Schwestern hätten auch an einen Bauträger verkaufen können, der Luxuswohnungen baut. Wir sind froh darüber, dass es anders kam", sagt Christoph Gisinger, Institutsvorstand des Hauses der Barmherzigkeit.

64 weitere Personen werden Schwester Juliana folgen. Voraussetzung ist mindestens Pflegestufe vier. "Hier wird jeder aufgenommen, unabhängig von finanziellen Mitteln", sagt Gisinger. Möglich ist das durch die Unterstützung des Fonds Soziales Wien (FSW), mit dem man lange über die Höhe der Tagsätze verhandelt habe.

Fachkräftemangel spürbar

Bei der Planung standen nicht nur die Pflegebedürftigen im Fokus, sondern auch die Mitarbeiter. Denn es sei immer schwieriger, die notwendigen Posten zu besetzen. "Ja, wir spüren in der Pflege einen Fachkräftemangel", bringt es Pflegedienstleiterin Renate Schwarz auf den Punkt. Sie war an der Auswahl des neuen Teams maßgeblich beteiligt. Weil es ein neues Haus sei und das auch verhältnismäßig klein ist, habe man zwar keine Probleme gehabt, eine erste Mannschaft zusammenzustellen. "Aber wir wissen, dass es knapp werden kann."

Diversität spiele deswegen zum Beispiel eine große Rolle. "Wenn wir sagen würden, wir wollen nur Mitarbeiter, die in Wien ausgebildet wurden, dann könnten wir die Stellen längst nicht mehr besetzen", sagt Schwarz.

Mitarbeiter sollen in den Mittelpunkt

Die Bezahlung ist in der Regel gering, die Arbeit hart. Aber: "Geld kann nicht pflegen, sondern Menschen", sagt Gisinger. Finanziell gebe es leider nicht viel Spielraum. Am Bild der Pflegeberufe und bei den Arbeitsbedingungen müsse man aber ansetzen.

Die Interessen der Mitarbeiter sollen in diesem Pflegeheim außerdem in den Mittelpunkt gestellt werden. Sie sollen sich künftig bei vielen Entscheidungen einbringen können. "Wir sind davon überzeugt, dass wir den Bewohnern die bestmögliche Pflege nur bieten können, wenn unsere Mitarbeiter zufrieden sind", sagt der Geschäftsführer des Hauses, Roland König.

Bedarf an Pflegekräften enorm

60.000 Menschen werden laut Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) derzeit in Wien pflegerisch betreut. Diese Zahlen dürften in den kommenden Jahren ob des "überproportionalen Anwachsens der älteren Bevölkerung" weiter steigen, sagt Ludwig.

"Pflege ist die ganz große Herausforderung unserer Gesellschaft", sagt auch Anita Bauer, Chefin des FSW, der das neue Pflegeheim unterstützt. "Nämlich, weil niemand weiß, ob er oder sie nicht selbst einmal betroffen sein wird." Obwohl es ein absolutes Zukunftsthema sei, reagiere die türkis-blaue Bundesregierung nicht ausreichend: "So geht das nicht, und das werden wir weiterhin klarmachen."

Konflikttheme Pflegeregress

Hintergrund: Der Bund bietet für den von der rot-schwarzen Vorgängerregierung beschlossenen Ausfall des Pflegeregresses 340 Millionen Euro als Ausgleichszahlung an – nur 16,6 Prozent davon entfallen auf Wien, obwohl 21,4 Prozent der Bevölkerung hier wohnen. Andere Bundesländer (Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich) erhalten bei niedrigerem Bevölkerungsanteil mehr Ressourcen.

Das war auch Thema bei der Konferenz der Landesfinanzreferenten am Freitag. Dort machte Wien klar, dass die 340 Millionen kein Deckel, sondern lediglich eine "Vorauszahlung" seien. Nach wie vor seien die tatsächlich anfallenden Kosten zur Gänze vom Bund zu refundieren.

Für die Bewohner und die Mitarbeiter des Hauses am Maurer Berg ist dieser Konflikt in weiter Ferne. Christine Patzl hat heute ihren dritten Tag. Die Heimhelferin freut sich, dass nun langsam die Bewohner einziehen. "In den nächsten Tagen geht es darum, dieses Haus mit Leben zu füllen." (lhag, 12.11.2018)