Ganz nach dem fast 100-jährigen Credo "Licht, Luft und Sonne": der frisch sanierte und aufgestockte Gemeindebau am Kapaunplatz.

Foto: Walter Skokanitsch

34 neue Zwei- bis Vierzimmerwohnungen sind am Kapaunplatz im Dachgeschoß entstanden, alle mit Freiflächen. Dachschrägen konnten vermieden werden. Die ersten Mieter sind schon eingezogen.

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Bei der Sanierung von Gemeindebauten redet oft das Bundesdenkmalamt mit: Beim Goethehof mussten die neuen Dachgeschoße an der Schüttaustraße deshalb dezenter ausgeführt werden.

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Wiens Gemeindebauten wachsen sukzessive in die Höhe. Gerade erst im Oktober wurde eine von 34 neu gebauten Dachgeschoßwohnungen im zweiten Bezirk medienwirksam an eine Jungfamilie übergeben. Die frisch sanierten und zum Niedrigenergiehaus umfunktionierten Wohnungen am Kapaunplatz 4-6 sind eines von mehreren Projekten, die Wiener Wohnen derzeit am Laufen hat. Die letzte Tranche der neuen Dachgeschoßwohnungen im Goethehof im 22. Bezirk steht kurz vor der Fertigstellung, ebenso wie eine kleine Anlage in der Delsenbachgasse. Über 500 Einheiten befinden sich derzeit in Bau.

In der Regel werden die alten Mietverträge nach einer Sanierung auf ein Niveau angehoben, das unter dem einer Neuvermietung liegt. "Die Kosten der Dachgeschoße sind separat von anderen Sanierungsmaßnahmen zu rechnen", heißt es von Wiener Wohnen. Man versuche, die Kosten mit Förderungen abzudecken, außerdem gebe es einen einmaligen beim Einzug zu bezahlenden Finanzierungsbeitrag. Im Fall des Projekts am Kapaunplatz beträgt er 4400 Euro pro Wohnung. Die Miete einer 63 m2 großen Dachgeschoßwohnung mit großzügigem Balkon kostet dort monatlich 570 Euro.

Zukunftsvision

Wienweit gibt es im Gemeindebau bereits 2000 ausgebaute Dachwohnungen, seit 2007 wurden 600 neu errichtet. Derzeit werden in Wien zwischen 5000 und 7000 geförderte Wohnungen pro Jahr gebaut. Eine Studie der AK Wien ortet allerdings ein Potenzial von 2000 zusätzlichen Wohnungen, wenn schon vorhandene Flächen der Wohnbaugesellschaften und der Gemeinde Wien besser genutzt würden. Ein Projektkonsortium von der Stadt Wien, der Boku und Vertretern der Bauwirtschaft hat vor etwa einem Jahr den Bericht "Attic Adapt 2050" herausgegeben, der eine Machbarkeitsstudie zum Thema enthält.

Modularer Holzbau

Demnach könnte man insgesamt gar zwischen 2500 und 7600 neue Wohnungen allein mit Aufstockungen von Gemeindebauten aus der Nachkriegszeit (Baujahre 1950-1965) schaffen. Einiges an Potenzial für eine wachsende Stadt. Zum Vergleich: Die ganze Seestadt Aspern soll irgendwann 10.500 neue Wohnungen bieten.Wiens Gemeindebauten aus der Nachkriegszeit haben im Prinzip alle dieselbe Typologie, mit geringfügigen Abweichungen in den Grundrissen. "Daher bietet sich ein System an, das man in Wien auf alle Bauten draufsetzen könnte", erklärt die an dem Projekt beteiligte Architektin Irene Prieler.

Geschehen soll das mit modularem Holzbau. Die Studie, die von Martin Treberspurg (Arbeitsgruppe Ressourcenorientiertes Bauen an der Boku) angestoßen wurde, zeigt, dass aufgrund der gängigen Zeilenbauweise zwischen den Riegeln viel Platz ist. Nach der Aufstockung wäre also die Belichtung für alle vorhandenen Bauwerke noch gegeben und die Zufahrt mit den im Werk vorgefertigten Teilen relativ einfach.

Vorteile im Vergleich zu konventionellem Bau

Im Vergleich zu konventioneller Bauweise wäre die Sache rasch erledigt: Statt 16 Wochen, die zwischen Abbruch und provisorischer Dichtheit des Dachgeschoßes vergehen, sind es beim Holzbau nur sechs. Das bedeutet weniger Gefahr für Bauschäden durch Wassereinbruch und kürzere Zeit mit Baulärm. Der Hauptvorteil betrifft aber die Statik: "Man weiß nie, wie sich der Bestand statisch verhält. Je leichter man aufbaut, desto besser", so Prieler. Nicht selten wurden in der Not der Nachkriegszeit sogenannte Vibro-Steine, hohle Betonblöcke aus Bauschutt mit schlechter Qualität, verbaut.

Blocksanierungen

Neben den potenziellen Dachgeschoßen im sozialen Wohnbau gibt es noch andere Baustellen in Wien. Generell beträgt das derzeitige Bauvolumen im Sanierungsbereich laut Angaben des Wohnfonds Wien über 600 Millionen an Baukosten. In Abstimmung mit Magistrat und Bezirken gehen etwa Blocksanierungen in strukturschwachen Gebieten oder in solchen mit Potenzial für Gebietsentwicklung über die Bühne. Diese sanfte Art der Stadterneuerung kommt zum Einsatz, wenn die alte Bausubstanz verbessert werden kann – dazu gehören etwa auch verfallende, ehemals gewerblich genutzte Objekte in Innenhöfen.

Das Ziel: die Erhaltung der Altsubstanz bei gleichzeitiger Steigerung des Wohnkomforts. Die thermisch-energetische Wohnhaussanierung trägt auch zum Klimaschutz bei – unter Berücksichtigung ökologischer und sozialräumlicher Aspekte. Die Sanierungszielgebiete werden in Zehnjahresschritten aktualisiert. "Wir gehen mit einem Förderungsangebot zu den jeweiligen Objekteigentümern und stellen kostenlose Konzepte zur Verfügung", erklärt Werner Auer vom Wohnfonds Wien.

Vorteile für alle

Wie auch bei den aufgestockten Dachgeschoßen ist hier der Umgang mit Bestandsmietern und Eigentümern entscheidend: Man versucht, auf die Vorteile einer Sanierung für alle hinzuweisen. Etwa geringere Heizkosten durch Wärmedämmung, Barrierefreiheit mittels Lifts oder ein neu gestalteter Kinderspielplatz. Im Falle der ausgebauten Dachgeschoße im Gemeindebau haben die Bestandsmieter laut Wiener Wohnen das Vorrecht, in höhere Lagen zu ziehen. Manche sind in den Bauten schon aufgewachsen, und dank des verpflichtenden Lifteinbaus sind die Wohnungen unter dem Dach auch für ältere Semester gut zu erreichen.

Der Lift ist übrigens das Sorgenkind bei Gemeindebausanierungen. Der Einbau bedarf einer eingehenden Betrachtung, wie Prieler erklärt: "An der Außenhaut des Stiegenhauses kann man oft nur im Halbgeschoß anschließen, im Inneren fehlt der Raum, um den Lift mit der Erschließung auf einer Ebene zu verbinden. Eine geschickte Lösung für Nutzer und für den Bauablauf ist daher zu entwickeln." Beim Thema Barrierefreiheit heißt es also kreativ sein, weshalb sich die Architektin ein Pilotprojekt wünscht. (Marietta Adenberger, 10.11.2018)