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Sonja Vukovic: "Außer Kontrolle"
Lübbe 2018
304 Seiten, € 18,50

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Leon war ein Hardcore-Kiffer, so bezeichnet er es selbst. Und er wäre deshalb fast gestorben, auch das gibt er heute zu. Angefangen habe alles mit Selbsthass und Selbstbetrug. Letztlich ist er mit einer schweren Psychose in der Psychiatrie gelandet, hat es nur mit Medikamenten geschafft, langsam wieder zu sich zu kommen.

Leon erzählt seine Geschichte, wie er es vom Süchtigen zurück in ein gesundes und abstinentes Leben geschafft hat, bei Vorträgen in Schulen, Betrieben und in therapeutischen Einrichtungen. Im Buch "Außer Kontrolle" von Sonja Vukovic ist allerdings Leons Mutter Aga die Hauptdarstellerin der Geschichte, auch wenn sie das eigentlich gar nicht sein will, wie sie im Gespräch mit Vukovic mehrmals betont.

Selbst Opfer

Aga ist von Selbstzweifeln und Schuldgefühlen geplagt, geht hart mit sich selbst ins Gericht, nimmt andere in Schutz, auch wenn sie wütend sein könnte, schreibt Vukovic. Leon gibt die Schuld für seine Drogensucht vor allem seinem geringen Selbstwertgefühl als Teenager. "Weil ich schwul bin und das nicht zugeben konnte. Weil ich mir nicht zugetraut habe, meine Bedürfnisse zu leben, und weil ich mich einfach immer falsch fühlte", sagt er. Für seine Mutter Aga, so schreibt Vukovic, wird es ab diesem Punkt von Leons Erzählung zu abstrakt. Sie nimmt ihren Mann in Schutz, von dem Leon sich nie geliebt fühlte, und gesteht sich ein, sie habe erst von ihrem Sohn gelernt, dass sie auch selbst ein Opfer ist – nicht nur die Täterin und Mitschuldige am Leid von Leon, als die sie sich immer gefühlt habe.

Ihr Sohn hat sie belogen, war jahrelang allen Dingen gegenüber negativ eingestellt, hat nächtelang nicht geschlafen, täglich gekifft und litt zuletzt an Verfolgungswahn – "Du hast damals gesagt, du hättest von Jesus den Auftrag, jemand umzubringen", erzählt seine Mutter.

Für ihr Buch hat Vukovic Experten befragt, sieben verschiedene Geschichten über Sucht aufgeschrieben und mit Eltern gesprochen, die durch ihre Erzählungen Tabus gebrochen und ihre Kinder verloren haben – "manche jahrelang, andere für immer". Dabei sei es, anders als erwartet, nicht einfach gewesen, Eltern zu finden, die mit ihr sprechen und ihre Geschichte erzählen wollen, so Vukovic. Wenn es um die eigenen Kinder gehe, sei zu viel Scham, Schmerz und Schuld im Spiel. Zuletzt vor allem Ohnmacht.

Mitschuldig sein

Sucht stört ganze Systeme, vor allem familiäre. Die Autorin schreibt: Eltern können ihre Kinder einfach nicht aufgeben, es bricht ihnen das Herz. Wenn es sein muss, gehen sie lieber mit ihnen unter. Co-Abhängigkeit ist ein Phänomen, das viele Eltern abhängiger Kinder betrifft. Das Konzept ist umstritten, das thematisiert auch Vukovic. Weil es besagt, das Angehörige nicht nur mitbetroffen, sondern auch mitschuldig sind.

Abhängig sind Eltern wohl tatsächlich, schreibt Vukovic und zitiert Leon: "Mama, du hast dich selbst aufgegeben. Das bewundere ich zum Teil sogar. Das ist eure Lebensleistung, ihr seid wegen der Kinder nicht in den Urlaub gefahren, wegen der Kinder habt ihr euch nicht getrennt, kein eigenes Hobby gehabt. Du hast viele Jahre lang ganz wenig geschlafen. Wir waren deine Drogen", sagt er und lacht. Seine Mutter lacht auch. (Bernadette Redl, 12.11.2018)