Was mit musealen Aktivitäten schon lange nicht mehr gelungen ist, hat das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zuletzt mit einer Personalie geschafft: Als im Juni die Verlängerung des Vertrags von Museumschef Wolfgang Meighörner öffentlich angekündigt und wenige Tage später plötzlich wieder abgesagt wurde, hat das auch überregionale Aufmerksamkeit erregt. Was ist passiert?

Werden im Innsbrucker Ferdinandeum in Zukunft wieder anspruchsvolle Ausstellungen abseits von landeskundlichen Nabelschauen zu sehen sein? Die neue Leitung soll am Montag bestimmt werden.
Foto: Alexander Haiden

Meighörner, seit 2007 im Amt, hätte zwar bis ins nahe Pensionsalter an der Museumsspitze verbleiben, neben ihm aber ein zweiter Geschäftsführer installiert werden sollen. Als er sich in einem Interview kritisch dazu äußerte, sahen die Gesellschafter das Vertrauensverhältnis "geschädigt". Die Tiroler Tageszeitung zitierte die zuständige VP-Kulturlandesrätin Beate Palfrader zudem mit der Aussage, ein Militärhistoriker wie Meighörner sei "vielleicht nicht die Idealbesetzung", um das Ferdinandeum als Kunstmuseum zu positionieren.

Dieser Meinung war man in weiten Kreisen des Museumsvereins, der 40 Prozent an der Landesmuseen-Betriebsgesellschaft hält (Land Tirol: 60 Prozent) und im Besitz der Sammlungen ist, freilich schon lange zuvor gewesen. Und hatte deshalb hinter den Kulissen beim Land massiv gegen eine Verlängerung Meighörners interveniert.

Lange schwelender Richtungsstreits

Das für alle Beteiligten unrühmliche Sommerschauspiel war der finale Akt eines schon lange schwelenden Richtungsstreits. Das Ferdinandeum ist ein klassisches Mehrspartenmuseum. Im Gründungsstatut von 1823 festgeschrieben wurde auch der Aufbau einer "Bildergalerie vaterländischer Maler, ein Kunstkabinett mit den Produkten tirolischer Künstler". Schenkungen und Legate haben den Radius bereits im 19. Jahrhundert über Tirol hinaus erweitert, man verfügt über Gotisches aus Italien ebenso wie über eine Sammlung niederländischer Malerei – und natürlich über Werke von Egger-Lienz bis Weiler. Ausgerechnet der in Tirol traditionell vor den Kulturbelangen rangierende Sport ermöglichte schließlich auch das Sammeln von Zeitgenössischem: 1964 rief das Land zu diesem Zweck die Olympiastiftung ins Leben.

Auf die kunstgeschichtliche Sammlung beruft sich der Verein, wenn er auf eine Positionierung des Ferdinandeums als Kunstmuseum pocht. Zumal Landesgeschichtliches bereits an anderen Standorten des aus fünf Häusern bestehenden Museumsapparats verhandelt wird. Mit der Bestellung Meighörners, der sich 2006 unter anderem gegen Alfred Weidinger durchgesetzt und zuvor das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen geleitet hatte, war jedoch eine andere Richtung programmiert: Er bestritt seine ersten Amtsjahre mit Ausstellungen etwa zu Andreas Hofer oder zum kaum weniger klischeebehafteten Thema "Wilderer".

Richten soll es nun womöglich Gerald Matt. Die Bewerbung des ehemaligen Kunsthalle-Wien-Chefs gilt als fix, ein Wunschkandidat des Landes war dem Vernehmen nach aber auch Peter Assmann. Der gebürtige Tiroler, langjähriger Direktor der Linzer Landesmuseen, leitet seit 2015 den Palazzo Ducale in Mantua. Fünf von insgesamt 19 Bewerbern wurden zu einem Hearing am kommenden Montag eingeladen, darunter vier Männer und eine Frau. Berichte, wonach es sich dabei um Verena Konrad, Chefin des Vorarlberger Architekturinstituts Vai und Österreich-Kommissärin der laufenden Architekturbiennale in Venedig, handeln soll, hat diese zuletzt selbst dementiert.

Stärkung überregionaler Präsenz

Nach dem Wunsch der Gesellschafter soll die "überregionale Präsenz" des Ferdinandeums gestärkt werden. Ob das gelingen kann, wird auch davon abhängen, mit welchem Pouvoir und mit welchen finanziellen Mitteln der oder die neue Direktor/in ausgestattet sein wird.

Von einer "Doppelspitze" ist keine Rede mehr. Der rund 3000 Mitglieder zählende Verein ist überaltert, nicht wenige darin hängen den guten alten Zeiten alleiniger Bestimmungsrechte nach. Die Politik wiederum hielt wohl auch deshalb lange an Meighörner fest, weil er sich als solider Verwalter und Erfüllungsgehilfe von Großprojekten erwiesen hatte: 2011 eröffnete das rund 25 Millionen Euro teure, gegen viele Widerstände errichtete Tirol-Panorama, das das Innsbrucker Riesenrundgemälde sowie ein Kuriositätenkabinett vom alten Brenner-Grenzbalken bis zum ausgestopften Biber beherbergt. 24 Millionen Euro allein an Baukosten hat das 2017 eröffnete Zentraldepot für die Landesmuseen verschlungen.

Die eigentliche Großbaustelle, nämlich das Ferdinandeum, blieb bei all diesen Aktivitäten jedoch unberührt – weshalb der Verein zuletzt den Druck erhöht hatte. Schließlich will man 2023 das 200-Jahr-Jubliäum nicht in jenem baulichen Labyrinth feiern, das heute selbst die Vorstandsvorsitzende des Vereins, Barbara Psenner, als "totalen Verhau" bezeichnet. 2003 ist das Ferdinandeum nach einem Um- und Erweiterungsbau wieder eröffnet worden.

Das Ergebnis ist verwinkelt und hinsichtlich der Besucherführung katastrophal. In den letzten Jahren wurden zwar zahllose Konzepte für eine Neuaufstellung entworfen – etwa von Dieter Bogner. Bislang aber nur für die Schublade. (Ivona Jelčić, 9.11.2018)