Nun funktioniert die Sozialpartnerschaft offenbar nicht einmal mehr in ihrem ureigenen Bereich, auf den sie ein gewichtiger Teil der Arbeitgeber, allen voran die Industrie, schon lang reduziert sehen will: den Lohnverhandlungen. "Aug' um Aug'" lautet die Devise. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer schenken einander nichts, Gräuelpropaganda inklusive.

Um das vergiftete Klima in der laufenden Runde zu verstehen, muss man ein wenig in der Zeit zurückblenden. 2017 hat die Gewerkschaft erst die fast fertig ausverhandelte, überfällige Neuregelung der Arbeitszeit der Wahlkampfregie geopfert – obwohl sich die Wirtschaftskammer verpflichtet hatte, alle Kollektivverträge auf eine Art Mindestlohn anzuheben. In der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl im Oktober setzten SPÖ und Gewerkschaft noch eins drauf und beschlossen die Angleichung von Arbeitern und Angestellten bis 2021 – ein schweres Foul, das bezeichnenderweise gemeinsam mit den Freiheitlichen begangen wurde.

Die Rechnung dafür bekommen die Roten nun präsentiert. Erst wurden sie von ÖVP/FPÖ mit Zwölfstundentag und 60-Stunden-Woche überrumpelt, dann büßten sie an Macht und Einfluss in der Sozialversicherung ein, und nun wird an der letzten Absicherung von Langzeitarbeitslosen gesägt, der Notstandshilfe. All das liegt bei den Lohnverhandlungen der Metaller mit auf dem Tisch – ohne tatsächlich Verhandlungsgegenstand zu sein. Dem Interessenausgleich ist das wenig zuträglich. Das eigentliche Thema der Lohnrunde, Wirtschaftswachstum und Produktivitätsfortschritt in der (noch) wie geschmiert laufenden Metallindustrie, verkommt zur Nebensache – obwohl es angesichts der eher schwachen Reallohnentwicklung in Österreich gute Gründe für einen starken Abschluss gäbe.

Allerdings hat auch diese Medaille zwei Seiten. Wenn im Geldbörsel zu wenig bleibt, sind die Gründe dafür auch hausgemacht. Den Löwenanteil der meist mit viel Sitzfleisch erkämpften Lohnerhöhungen streift der Staat über kalte Progression und Sozialversicherung ein. Auch die Kammern, deren Beiträge an die Lohnsumme gekoppelt sind, profitieren automatisch davon.

Solcherart überfrachtet, kann nur Sand ins Getriebe der Lohnrunde geraten. Mit Warnstreiks, wie sie für Montag geplant sind, wird die tiefe Kluft kaum zu überbrücken sein. Klassenkampf auf der Straße statt am grünen Tisch: Da haben nicht nur die Arbeitgeber viel zu verlieren. (Luise Ungerboeck, 9.11.2018)