In der Staatsoper feierte das offizielle Österreich 100 Jahre Republik – Bundespräsident Van der Bellen, Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache gedachten in ihren Reden.

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Wien – Mit einem Staatsakt in der Wiener Staatsoper hat das offizielle Österreich am Montag den 100. Jahrestag der Errichtung der Republik gefeiert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) luden dazu ein. Die Festrede hielt die Autorin Maja Haderlap. Besondere Gäste des Staatsakts, der der Ausrufung der "Republik Deutschösterreich" nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie gedachte, waren Holocaust-Überlebende und Schüler aus ganz Österreich.

Die Wiener Philharmoniker und Sänger der Staatsoper sorgten für das musikalische Programm. Gezeigt wurden auch historische Bildaufnahmen von der Gründung der Republik bis in die Gegenwart sowie ein Video, in dem junge Bürger ihre Vorstellungen für die Zukunft Österreichs präsentieren.

Van der Bellen erinnerte an den "holprigen" Start der Ersten Republik und den Erfolg des Neubeginns Österreichs nach 1945, "das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen".

Keine Abkürzungen

Dazu erinnerte der Bundespräsident, dass auch die Errichtung der neuen Republik nach 1945 ein "mühsamer Neubeginn" gewesen sei. Es habe aber einen Unterschied gegeben: "Wir stellten jetzt das Gemeinsame vor das Trennende. Gemeinsam gründeten sie die Zweite Republik, gemeinsam verhandelten sie den Staatsvertrag, die immerwährende Neutralität und die Integration Österreichs in die EU."

Demokratie bedeute Diskussion, sich auf andere einzulassen, mahnte der Bundespräsident – und das "kostet Zeit". Manche wünschten sich, dass es einfacher und schneller gehe, aber: "Das ist ein Trugschluss. Es gibt keine Abkürzungen. Der Weg zur gemeinsamen Lösung mag steinig sein. Aber es lohnt sich." Das gemeinsame Handeln habe Österreich in den vergangenen Jahrzehnten zu seiner Prosperität verholfen. "Die liberale Demokratie ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit. Sie verlangt nach einer Vielfalt der Stimmen. Unveräußerliche Minderheitenrechte sind wesentlich."

Jedermanns Verantwortung

Jeder sei verantwortlich für die Gestaltung unserer Gesellschaft: "Dieses demokratische Miteinander gerät hin und wieder in Defensive. Feindbilder werden aufgebaut", warnte der Bundespräsident. Zuschreibungen mündeten fast immer in die Aushöhlung von Freiheitsrechten und soziale Diskriminierung. Jeder könne aber in Situationen kommen, in denen man auf Hilfe und Solidarität angewiesen sei.

Auch Kurz warnt

Auch Kanzler Kurz warnte vor der Gewalt der Worte, der in der Ersten Republik bald die Gewalt der Taten gefolgt sei. Er sprach von einem "vielgeliebten Österreich", das nach 1945 entstanden sei und ein gesundes Selbstvertrauen entwickelt habe. Ausdrücklich begrüßte er jene jüdischen Holocaust-Überlebenden, die bei dem Staatsakt anwesend waren.

Strache fordert Verantwortung

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bezeichnete die Zeit der Nazi-Herrschaft als "dunkelstes Kapitel unserer Geschichte". Die Verantwortung des "Niemals wieder!" gelte es zu leben. In der Schwerpunktsetzung seiner Rede wurden aber auch Unterschiede deutlich: So hob er vor allem die bürgerliche Revolution von 1848 als Startpunkt für den Weg zur Republik hervor, ebenso das Faktum, dass am 12. November 1918 Kommunisten versucht hätten, diese zu verhindern.

Nationalratspräsident Sobotka wünschte der demokratischen Republik "multos annos" und warnte vor der Tolerierung von Parallelgesellschaften, die die staatliche Grundordnung ablehnten. Zu Wort meldete sich auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der als derzeitiges Oberhaupt der Landeshauptleute-Konferenz den "wesentlichen Anteil" der Länder an der Gründung der Republik hervorhob.

Warnung vor Ökonomisierung der Gesellschaft

Autorin Maja Haderlap warnte vor einer Ökonomisierung der Gesellschaft. "Es geht uns gut, aber die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm", sagte sie. "Gerade haben wir uns an den Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates aufgerichtet, schon wird uns erklärt, dass wir endlich erwachsen werden und für uns selbst sorgen sollen."

Angelpunkt der Demokratie sei aber nicht der ökonomische Mensch, sondern das ethisch handelnde Individuum. Die Fragen der Zukunft würden humaner und ökologischer Natur sein, zeigte sich Haderlap überzeugt.

Sie zitierte Oskar Kokoschka und wünschte der "immer noch jungen Republik Österreich" im geeinten Europa einen Instinkt für Demokratie. Dass sie als Rednerin ausgewählt worden sei, bezeichnete sie als "erstaunliche, kühne Einladung, die mich ehrt, die mich aber auch in einen unerbittlichen Kreislauf aus Zweifeln geschleudert hat". Zu Beginn ihrer Rede begrüßte die Kärntner Slowenin zweisprachig die anwesenden Spitzenrepräsentanten des Landes, nicht aber FPÖ-Chef Strache. (APA, red 12.11.2018)