Der neue Premier Rajapaksa hatte in Colombo gut lachen. Am Mittwoch verlor er aber ein Misstrauensvotum im Parlament.

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Am Mittwoch ist das Parlament in Sri Lanka erstmals seit mehr als zwei Wochen zusammengetreten – obwohl Präsident Maithripala Sirisena genau das verhindern wollte. Noch vor wenigen Tagen hatte er die endgültige Auflösung des Parlaments und Neuwahlen für den 5. Jänner verkündet.

Doch das Oberste Gericht hat diese Vorgangsweise für illegal erklärt, das Parlament trat zusammen. In einer Kampfabstimmung mussten die Abgeordneten ihr Vertrauen für einen der zwei "Premiers" abgegeben: Für den von Sirisena abgesetzten Ranil Wickremesinghe. Oder für Mahinda Rajapaksa, also den Mann, den der Präsident statt Wickremesinghe eingesetzt hat. Und tatäschlich: Am Mittwoch wählten 122 der 225 Abgeordneten die neu eingesetzte Regierung per Misstrauensvotum ab, teilte Parlamentspräsident Karu Jayasuriya mit.

Der Antrag gegen Rajapaksa und sein Kabinett wurde am Mittwoch bei lautstarken Protesten von Regierungsangehörigen verabschiedet. Später wollte der kürzlich entlassene Premier Ranil Wickremesinghe mit einer Abstimmung demonstrieren, dass er weiterhin die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hat. Den Premierminister ernennen kann aber nur der Staatspräsident.

Hickhack und angebliches Mordkomplott

Hinter dem Hickhack steckt ein Machtkampf, der seit Ende Oktober offen ausgetragen wird – und das Land in die größte Verfassungskrise seit Jahren wirft. Wickremesinghes Anhänger sprechen von einem "Putsch ohne Waffen". Die von Rajapaksa pochen darauf, Recht und Ordnung im Land absichern zu wollen.

Vor zwei Wochen, Ende Oktober, hatte Sirisena das Parlament vorübergehend aufgelöst, Premierminister Wickremesinghe abgesetzt und stattdessen Rajapaksa ins Amt gehoben. Wickremesinghe sei korrupt, lautete seine Erklärung, er habe "ein neues, extremes politisches Konzept einführen" wollen, "indem er der Außenpolitik höhere Priorität einräumte als den Gefühlen der lokalen Bevölkerung". Und: Er habe zusammen mit Indien Sirisenas Ermordung geplant.

Parlament in der Krise

Sri Lanka ist als vergleichsweise stabile Demokratie in der Region bekannt. Nicht nur international hagelte es Kritik an dem Schritt des Präsidenten, auch die Opposition stieg auf die Barrikaden.

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Der gestürzte Ex-Premier Wickremesinghe winkt seinen Anhängern in Colombo zu.
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Rajapaksa ist kein Unbekannter in Sri Lanka. Von 2005 bis 2015 war er selbst Präsident – und somit auch, als 2009 der blutige Bürgerkrieg im Land zu Ende ging. Ein Uno-Bericht aus dem Jahr 2015 dokumentiert detailliert Kriegsverbrechen, die vor allem zu Ende der Kriegswirren verübt worden sein sollen: Vergewaltigungen, Entführungen und Verschleppungen durch Regierungstruppen. Außerdem soll der Generalsekretär im Verteidigungsministerium einen Schießbefehl auf sich ergebende Tamilen-Rebellen (LTTE) erteilt haben – es war Rajapaksas' Bruder Gotabhaya. Die Aufarbeitung der mutmaßlichen Verbrechen lässt auf sich warten. 40.000 Tamilen verloren in dem Krieg ihr Leben, die Rolle von Staatspräsident Rajapaksa ist bis heute höchst umstritten.

Und trotzdem, es sei eine Wahl zwischen Pest und Cholera, ist aus Diplomatenkreisen zu hören. Die Korruption hat die Politik fest im Griff. Nach dem Umsturz Ende Oktober beeilten sich einige entmachtete Minister, belastendes Material zu vernichten. Und auch in der aktuellen Krise gehe es am Ende darum, wer welchem Abgeordneten mehr Geld zahlen könne.

Rajapaksas Plan gescheitert

Sirisena zögerte in den vergangenen Wochen ein erneutes Zusammenkommen des Parlaments immer wieder hinaus. Viele deuteten das als Versuch, Rajapaksa mehr Zeit zu verschaffen, um eine Mehrheit um sich zu scharen. Doch das ist gescheitert. Die nunmehrige Auflösung ist laut Juristen insofern verfassungswidrig, als das Parlament mindestens viereinhalb der fünf Jahre einer Legislaturperiode tagen muss. Im aktuellen Fall wäre das also Anfang 2020.

Dass Rajapaksa sich verrechnet hat, zeigt auch, dass er am Wochenende die Partei wechselte. Er möchte bei der kommenden Wahl nicht mehr mit der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) antreten, sondern hat sich der rechtspopulistischen Sri Lanka Podujana Peremuna (SLPP) angeschlossen. Mit ihm liefen bereits 44 Abgeordnete über, es könnten bis zu 65 werden, berichtet Reuters.

Klage gegen "Diktator-Präsident"

Rajapaksas Unterstützer pochen nun darauf, dass es nur korrekt sei, Wahlen abzuhalten, denn die Bevölkerung habe ein Recht auf Wahlen. Die Gegner stellen sich auf den Standpunkt, dass der Sturz verfassungswidrig war. Am Montag brachten Abgeordnete der UNP und der Tamilenpartei Tamil National Alliance Klage beim Obersten Gerichtshof in Colombo ein. Der Wickremesinghe-Unterstützer Mangala Samaraweera erklärte dazu: "Wir werden zeigen, dass der Diktator-Präsident ein Parlament aufgelöst hat, das eine Mehrheit im Parlament hat."

International stoßen die Entwicklungen auf heftige Kritik. Die USA hatten sich am Wochenende "tief besorgt" gezeigt.

In dieselbe Kerbe schlägt die EU. Eine Sprecherin der Außenbeauftragten Federica Mogherini sagte, die Entwicklung gefährde das "öffentliche Vertrauen in die demokratischen Institutionen des Landes". Ähnliche Reaktionen kamen aus Kanada und Australien.

Kein Land hat die neue Regierung bisher anerkannt. Auch nicht China, das wohl zu den größten Profiteuren von Rajapaksas politischer Auferstehung zählt. Bereits während seiner Präsidentschaft hatte er große Infrastrukturprojekte mit der Volksrepublik forciert, etwa den umstrittenen Hafen in seiner Heimatregion Hambantota. Derartige Projekte haben Sri Lanka in eine Schuldenkrise gestürzt – der Hafen ist mittlerweile in den Besitz Chinas übergegangen. Dementsprechend hielt sich die Volksrepublik auch mit Kritik zurück. Man mische sich nicht in interne Angelegenheiten ein, erklärten chinesische Diplomaten vergangene Woche. (saw, 12.11.2018)