Bild nicht mehr verfügbar.

Theresa May: Ist sie in der Zwickmühle oder auf der Zielgerade?

Foto: AP/Matt Dunham

Zu Beginn einer Woche, in der Premierministerin Theresa May auf einem Sondergipfel Großbritanniens EU-Austritt besiegeln wollte, gaben sich beide Seiten weiterhin zuversichtlich für eine baldige Einigung. Dem Vernehmen nach sind mehrere Hundert Seiten der eigentlichen Austrittsvereinbarung sowie einer politischen Erklärung über die zukünftige Zusammenarbeit unterschriftsreif. Umstritten bleibt eine Garantie zum Nordirland-Status.

Aus Brüssel hatte es vergangene Woche geheißen, man bereite sich auf einen möglichen Sondergipfel am 25. November vor. Presseberichten in London zufolge sprach Mays Brexit-Sherpa Oliver Robbins bis in die frühen Morgenstunden des Montags in Brüssel mit Sabine Weyand, Mitarbeiterin von Brexit-Verhandler Michel Barnier. Beide Seiten zeigen guten Willen.

Meinungsunterschiede

Am grundsätzlichen Meinungsunterschied hat sich aber nichts geändert. Er betrifft vor allem die Garantie, dass die innerirische Grenze zwischen EU-Binnenmarkt und künftigem Drittland Großbritannien auch in Zukunft offen bleiben soll. Dies hatte London bereits zugesagt, will nun aber die Konsequenzen – den Verbleib Nordirlands in der Zollunion sowie Teilen des Binnenmarktes – nicht wahrhaben.

Dadurch werde ein Teil des Vereinigten Königreiches auf inakzeptable Weise anders behandelt als der Rest, so die Begründung. Dahinter steckt die Furcht, andere Landesteile wie Schottland oder London könnten ähnliche Privilegien einfordern.

Streitpunkt irische Insel

Auf den Sonderstatus ihres Landesteiles durch das Karfreitagsabkommen wiesen am Montag Vertreter jener Parteien hin, die sich gegen den Brexit positioniert hatten und weiterhin enge Verbindungen zur EU aufrechterhalten wollen. Dazu gehören die irisch-republikanische Sinn Féin, die nationalistische SDLP, die religionsübergreifende Allianzpartei sowie die Grünen. Nordirland votierte mit 56 zu 44 Prozent für den EU-Verbleib. Für den Austritt tritt lediglich die Unionistenpartei DUP ein. Da deren zehn Abgeordnete Mays Minderheitsregierung stützen, hat die DUP im Parlament überproportionalen Einfluss.

Am Wochenende warnten DUP-Brexitsprecher Sammy Wilson sowie der konservative Brexit-Ultra Steve Baker May, sich kompromissbereit zu zeigen: Gemeinsam würde man einen Deal im Unterhaus ablehnen. Gegen die eigene Regierung will auch der am Freitag als Verkehrsstaatssekretär zurückgetretene Jo Johnson stimmen. Der EU-Freund argumentiert, May wolle das Parlament vor inakzeptable Alternativen stellen: dauerhafte Abhängigkeit von Brüssel oder Chaos-Brexit. Stattdessen strebt der jüngere Bruder von Ex-Außenminister Boris Johnson nun ein zweites Referendum an. Diese Möglichkeit wird von May kategorisch abgelehnt.

Die Premierministerin hat für eine Vereinbarung mit Brüssel und einen möglichen Gipfel am 25. November nur noch bis Donnerstag Zeit, ehe die Regierung ihre Vorbereitungen für einen Austritt ohne Vereinbarung ("No Deal Brexit") massiv verstärken müsste. Dazu gehört der Ausbau von Häfen sowie das Anheuern von Schiffen im Vertragswert von hunderten Millionen Pfund, die notfalls Lebensmittel und Medikamente auf die Insel bringen müssten. (Sebastian Borger aus London, 12.11.2018)