Der Zylinder des Urkilogramms spiegelt sich in einer Siliziumkugel, die als neues Maß des Massemessens etabliert werden dürfte.
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Meter, Kilogramm oder Sekunde sind für uns so selbstverständlich, dass man glauben könnte, diese Maße seien immer schon dagewesen. Tatsächlich ist es nicht einmal 200 Jahre her, dass sich Gelehrte der französischen Akademie der Wissenschaften diese Maßeinheiten im Zuge der Französischen Revolution ausdachten.

Die 1790 damit beauftragten Forscher gingen dabei ganz neue Wege, wie Anna Echterhölter erklärt, die seit März dieses Jahres Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Uni Wien ist und sich mit einer Arbeit über die Geschichte der Metrologie (also der Wissenschaft des Messens) habilitiert hat. Die Forscherin verweist darauf, dass man damals etwa mit der Konvention brach, Längenmaße von der Anatomie abzuleiten (wie Elle oder Fuß): Ein Meter sollte von nun an der zehnmillionste Teil der Meridianlinie vom Pol zum Äquator sein.

Sekunde, Meter, Kilogramm

Eine Sekunde wiederum definierte man als 86.400. Bruchteil des mittleren Sonnentages; ein Kilogramm als Gewicht von einem Kubikdezimeter Wasser bei vier Grad Celsius und einem bestimmten Druck. Um diese Einheiten international durchzusetzen, stellte man nicht nur einen Urmeter und ein Urkilogramm her, sondern belieferte andere Länder mit möglichst exakten Kopien.

Dieses Urmeter aus Platin-Iridium diente lange als Maßstab für die Länge.
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Im Jahr 1875 wurden diese Einheiten bei der ersten Konferenz der Internationalen Meterkonvention offiziell festgeschrieben. Die Einhaltung der Konvention überwacht seither das damals neu gegründete Bureau International des Poids et Mesures (BIPM). Es sorgte auch für die Weiterentwicklung der physikalischen Grundeinheiten, die im Laufe der Zeit zum einen erweitert wurden – um Ampere für Stromstärke, Kelvin für Temperatur, Mol für Stoffmenge und Candela für Lichtstärke.

Zum anderen wurden diese Einheiten im Laufe der Zeit immer genauer bestimmt. Ein Durchbruch erfolgte 1967, als man die Sekunde über die Periodendauer der Mikrowellenstrahlung definierte, die ein Cäsiumatom beim Übergang zwischen zwei bestimmten Energieniveaus abstrahlt.

Rückführung auf Naturkonstanten

Damit war die Sekunde die erste Einheit, deren Definition auf eine Naturkonstante zurückgeführt wurde. 1983 kam dann der Meter dran. Weil man Zeit dank der Fortschritte in der Lasertechnik besonders genau messen kann, ist ein Meter seit 35 Jahren die Entfernung, die Licht im 299.792.458. Bruchteil einer Sekunde zurücklegt – womit auch das Längenmaß auf eine Naturkonstante zurückgeführt wurde.

Bis heute sind aber erst drei der sieben Basiseinheiten (neben Sekunde und Meter auch die Lichtstärke) durch Naturkonstanten definiert, während alle anderen immer noch auf historisch gewachsenen Definitionen bestehen und längst nicht mehr heutigen Genauigkeitsansprüchen genügen. Das gilt ganz besonders für das Kilogramm, die Einheit der Masse, das seit 1889 im Grunde nur durch einen Metallzylinder in Paris und ein paar Kopien definiert wird.

Das Urkilogramm wird womöglich ab Ende der Woche Geschichte sein.
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26. Generalkonferenz in Versailles

Das soll sich in dieser Woche ändern, denn ab Dienstag treffen sich die Vertreter der Internationalen Meterkonvention in Versailles bei Paris zu ihrer 26. Generalkonferenz, um auch das Kilogramm auf universelle Naturkonstanten zurückzuführen.

Eine besondere Rolle spielt dabei das sogenannte Planck'sche Wirkungsquantum, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Max Planck in die Physik eingeführt wurde und das Verhältnis von Energie und Frequenz eines Photons darstellt. Das Planck'sche Wirkungsquantum soll zuerst möglichst genau bestimmt werden – mit einer kleineren Unsicherheit als 2 x 10-8.

Sehenswertes Video über die Geschichte der Metrologie und des rundesten Objekts der Welt.
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Gezählte Siliziumatome

Dazu gibt es zwei Ansätze, einer davon stammt von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig: Dort schuf man eine perfekte Kugel aus Silizium, deren Anzahl an Siliziumatomen sich exakt bestimmen lässt, was wiederum über die Avogadro-Konstante Rückschlüsse auf die Planck-Konstante zulässt.

Auf Basis dieser neuen Berechnungsmethoden sollte es Ende dieser Woche zum Beschluss kommen, das Urkilogramm und die anderen veralteten Definitionen radikal zu erneuern. Das neue Einheitensystem würde im Mai 2019 in Kraft treten. Für uns Verbraucher ändert sich nichts: Ein Kilogramm bleibt ein Kilogramm. Neu ist nur, dass dieses Maß nicht mehr auf einem Zylinder aus Platin-Iridium, sondern einer Kugel aus Silizium basiert. (Klaus Taschwer, 12.11.2018)