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Gratwanderin zwischen den Parteifronten: Kyrsten Sinema.

Foto: Dan Steinberg/Invision for Human Rights Campaign/AP Images

Am Ende gaben einige Zehntausend Stimmen den Ausschlag. Erst knapp eine Woche nach dem Wahltag wurde die Demokratin Kyrsten Sinema in Arizonas Senatsrennen zur Siegerin ausgerufen – in einem Bundesstaat, der die letzten Jahrzehnte fest in republikanischer Hand war. Die 42-Jährige ist aber nicht nur die erste Demokratin seit langem, mit ihr zieht überhaupt erstmals eine Frau für Arizona in den Senat.

Sinema steht wie keine andere für den amerikanischen Traum – und Albtraum. In eine Mittelstandsfamilie geboren, lebte sie nach dem Jobverlust des Stiefvaters mit ihrer Mutter und den Geschwistern drei Jahre lang in einer verlassenen Tankstelle ohne Strom und Wasser. Die Hilfe ihrer Umgebung und "harte Arbeit" habe sie dorthin gebracht, wo sie jetzt stehe, sagt sie.

Sinemas Wahlkampfstrategie baute vor allem auf dem Narrativ der Kämpferin auf: Jahrgangsbeste in der Highschool, College-Abschluss als Sozialarbeiterin. Als Studentin war Sinema eine deklarierte Linke. Sie gehörte ab dem Jahr 2000 der Green Party an und demonstrierte gegen George W. Bushs Irakkrieg. Von ihrer republikanischen Konkurrentin und Ex-Soldatin Martha McSally wurde sie auch deshalb als unpatriotische "Prada-Sozialistin" abgestempelt: "Während wir in Lebensgefahr waren, protestierte sie im rosa Tutu", hetzte McSally bei Wahlkampfveranstaltungen und zitierte aus einem alten Sinema-Interview für ein Modemagazin.

Keine Kompromisse bei Gesundheitspolitik

Von Sozialismus war in Sinemas politischer Karriere nichts mehr zu merken. 2004 wurde sie ins Repräsentantenhaus von Arizona gewählt, 2013 kam sie als Kongressabgeordnete nach Washington. Dort vertrat sie meist moderate Positionen. Seit Donald Trumps Wahlsieg stimmte sie so häufig mit dem republikanischen Präsidenten wie kaum ein anderes Mitglied ihrer Partei. Von Kommentatoren wurde sie deshalb vielfach als "Opportunistin" bezeichnet; sie selbst bezeichnet sich als Freidenkerin. Nur in der Gesundheitspolitik kennt Sinema, die geschieden ist und sich offen zu ihrer Bisexualität bekennt, keine Kompromisse; sie kämpft leidenschaftlich für den Erhalt und Ausbau von Obamacare.

Die Wähler in Arizona haben eine Vorliebe für politische Gratwanderer. Der oft unabhängig agierende republikanische Senator John McCain bleibt auch nach seinem Tod einer der beliebtesten Politiker in seinem Heimatstaat. Sinema sagt, sie will in seine Fußstapfen treten – aber als Demokratin. (Manuela Honsig-Erlenburg, 13.11.2018)