Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Krankenpfleger wiegt ein mangelernährtes Mädchen in einem Behandlungszentrum in Sanaa, Jemen

Foto: REUTERS / Khaled Abdullah

Bild nicht mehr verfügbar.

Der unterernährte Ghazi Ahmad, 10, liegt in einem Krankenhaus in Taiz im Jemen. Die Behandlung dauert mindestens einen Monat. Nur wenige können sich den Spitalauffenthalt leisten.

Foto: REUTERS / Anees Mahyoub

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Vater kocht Weinblätter für seine Familie. Die Lebensmittel im Jemen sind für viele unbezahlbar geworden.

Foto: AP / Hani Mohammed

Nur 115 Millimeter. Wenn überhaupt. Das war der Umfang von Jamals Oberarm, als Ahmad Algohbary ihn in einem Dorf in der Nähe der Stadt Saada fand. "Er litt an akuter Unterernährung, aber seine Eltern hatten kein Geld, um ihn ins Spital zu bringen", sagt Algohbary, ein 25-jähriger Aktivist und Journalist, dem STANDARD am Telefon.

Mithilfe eines Spendenaufrufes auf Twitter konnte er für Jamal und 25 weitere Kinder einen einmonatigen Krankenhausaufenthalt zahlen, um sie vor dem Hungertod zu retten. Eines, sagt Algohbary mit gebrochener Stimme, sei wenige Wochen nach seiner Genesung an Cholera gestorben. "Es sind einfach viel zu viele, die Hilfe brauchen."

Alle zehn Minuten stirbt ein Kind im Jemen an Hunger, Durchfall oder anderen vermeidbaren Krankheiten. Dabei kann man auf den Märkten und in den Geschäften alle Grundnahrungsmittel kaufen. Dass etwa die Hälfte der insgesamt etwa 28 Millionen Menschen im Land hungern, liegt daran, dass sie sich die Lebensmittel kaum noch leisten können. Das Gas, um zu kochen, sowieso nicht.

Der Krieg hat die Preise in die Höhe getrieben, gleichzeitig bekommen 1,2 Millionen Staatsangestellte seit knapp zwei Jahren kein Gehalt mehr. Zudem hat die Gewalt drei Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben – die meisten leben jetzt in notdürftigen Unterkünften und haben ihre Geldreserven längst aufgebraucht. Im Privatsektor wurde die Hälfte aller Angestellten entlassen.

Ohne Einkommen kein Arztbesuch

Deshalb sind 18 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, sagt Mirella Hodeib, die für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) im Jemen tätig ist. Ein Bedarf, den Hilfsorganisationen nicht abdecken können. Das Problem sei auch der Dominoeffekt: Ohne Gehälter sei das Bildungs- und Gesundheitssystem dem Zerfall nahe. Es gebe kein sauberes Wasser, Kinder würden nicht mehr geimpft werden, Arztbesuche seien zu teuer geworden.

Das erzählt auch die Jemenitin Abeer J. dem STANDARD am Telefon. Sie lebt mittlerweile in Malaysia, wo jemenitische Staatsbürger rasch ein Visum bekommen. Vor ihrer Flucht aus dem Jemen unterrichtete sie Arabisch als Fremdsprache in der Hauptstadt Sanaa. Doch wegen der Gewalt im Land hatte sie zuletzt keine Studenten mehr. Damit sich die Familie im Jemen Medikamente und Behandlung für ihre Mutter, die an Diabetes erkrankt ist, weiter leisten kann, musste Abeer im Exil eine Arbeit finden. Gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrem Bruder muss sie den siebenköpfigen Familienhaushalt ernähren, der wieder unter einem Dach wohnt, um Geld zu sparen.

Schwierige Arbeitsumgebung

Auch für die Hilfsorganisationen ist die Arbeit im Jemen schwieriger geworden. "Unser internationales Personal hat Probleme, Visa zu bekommen, und unsere nationalen Mitarbeiter Schwierigkeiten, sich im Land zu bewegen", sagt Suze van Meegen, die für die NRC-Flüchtlingshilfe im Jemen arbeitet. Man versuche, mit beiden Seiten zu kooperieren, so van Meegen zum STANDARD, "doch es wird immer schwieriger, Garantien zu bekommen, dass unsere Hilfslieferungen nicht bombardiert werden".

Viele NGOs haben sich bereits aus al-Hodeidah zurückgezogen, laut van Meegen sind noch zwei Mitarbeiter der NRC-Flüchtlingshilfe vor Ort. "Die Menschen, denen sie dort helfen, waren in einem so schlechten Zustand, wie sie ihn in diesem Krieg noch nicht gesehen haben."

Auch wenn schon viele Organisationen ihre Hilfsgüter über andere Wege ins Land bringen, kommen 80 Prozent von Jemens kommerziellen Importen – darunter auch Grundnahrungsmittel – in al-Hodeidah an. Für Hilfsorganisationen gilt die Hafenstadt also als Lebensader, für allem für den Norden des Landes. Das betonen sie immer wieder in ihren Plädoyers für eine politische Lösung des Konfliktes. Die Kämpfe in al-Hodeida dürften den Hafen nicht lahmlegen, das würde die katastrophale Situation verschlimmern. Alleine die Fortdauer des Konflikts verschärfe die humanitären Zustände im Land. (Flora Mory, Kim Son Hoang, 15.11.2018)