Die Bilder des Polizeieinsatzes in Barcelona 2017 gingen um die Welt.

Foto: APA/AFP/PAU BARRENA

Ein Faustschlag mitten ins Gesicht einer Frau sei "eine legitime Technik" und habe sogar einen Namen. "Atemi" heiße dies, und es handle sich um eine japanische Kampftechnik, bestehend aus "schnellen, abrupten Schlägen". Die Frau vor der Schule Monserdà sei "sehr nervös" gewesen, und er habe sie so "beruhigen müssen".

Das erklärte ein Polizist bei seinem Verhör vor dem Ermittlungsgericht Nummer sieben in der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Dort werden seit Wochenbeginn 24 Mitglieder der Sondereinsatzeinheiten verhört. Sie werden beschuldigt, beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 "unverhältnismäßig" gegen die Wähler und Wählerinnen vor sieben Wahllokalen vorgegangen zu sein. Am Tag des von Madrid verbotenen Referendums wurden laut Angaben der katalanischen Gesundheitsbehörden knapp 1.000 Menschen bei Polizeieinsätzen verletzt.

In den Mund gegriffen

Derselbe Beamte muss sich für einen weiteren Übergriff rechtfertigen. Bilder zeigen, wie er einer Frau in den Mund greift und sie so über den Boden schleift. Er habe der Betroffenen angekündigt, dass er einen "Schmerzpunkt" reizen würde, sollte sie der Aufforderung, zu gehen, nicht nachkommen. Auf dem Video freilich ist nichts von einer solchen Belehrung zu sehen. Ein anderer Beamter, der eine Frau in der Pau-Claris-Schule die Treppe hinuntergetreten hat, gab an, diese sei von sich aus gestürzt. Ein ebenfalls als Beschuldigter befragter Vorgesetzter rechtfertigt brutale Schlagstockeinsätze: Es sei üblich, auch das Gesicht als Ziel zu nehmen. Alles hänge von der "Angriffslust" der Zielperson ab.

Es sei wichtig gewesen, die "Sicherheitszone zwischen den Einsatzfahrzeugen und den Eingängen der Wahllokale", die in Schulen untergebracht waren, "zu säubern" und dabei "schnell zu sein", erklärt einer der Gruppenführer. Die Beamten hätten sich "menschlichen Mauern" gegenüber gesehen. Die Menschen seien aggressiv gewesen und hätten gerufen: "Wir werden wählen!" Das Foto der offenen, blutenden Verletzungen bei Opfern des Einsatzes zweifelte der Gruppenführer an. Es könne sich um Farbe handeln.

Keine Funkmitschnitte

Von einem "organisierten, gewalttätigen Verhalten" der Wähler ist auf den Videos, die jetzt dem Gericht als Beweismittel dienen, nichts zu sehen. Die Aufzeichnungen der Körperkameras der Einsatzkräfte wurden dem Gericht nur teilweise zugänglich gemacht. Mitschnitte aus dem Funk gibt es nicht, denn die Beamten hatten ihn abgeschaltet und sich rechtswidrig über Handy verständigt. Wer im Organisationsstab der rund 6.000 eigens für das Referendum nach Katalonien verlegten Polizisten saß, ist unbekannt.

Der für Bürgerrechte zuständige stellvertretende Bürgermeister von Barcelona, Jaume Asens, fordert die Regierung in Madrid auf, die Ermittlungen zu unterstützen. Dort regieren mittlerweile die Sozialisten. Doch anstatt den Richtern Informationen zukommen zu lassen, zeichnete das Innenministerium den ehemaligen Regierungsdelegierten Enric Millo aus. Dieser war als Gesandter der Zentralregierung direkt für den Einsatz verantwortlich. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.11.2018)