Schon im April protestierte die Belegschaft, zerschlagen wurde die AUVA zwar nicht, ein Sparpaket wurde aber im August beschlossen.

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Die Gewerkschaft fährt seit Monaten scharfe Geschütze gegen den von den Regierungsparteien verordneten Sparkurs bei der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) auf. Genutzt hat das alles nichts. Am 21. August segnete der 14-köpfige AUVA-Vorstand gegen die Stimmen der roten Arbeitnehmervertreter ein 135 Millionen Euro schweres Sparpaket ab, weitere 430 Millionen Euro sollen zu anderen Sozialversicherungsträgern verschoben werden.

Für Wolfgang Birbamer war das damals ein "rabenschwarzer Tag für die AUVA". So schrieb es der Bau-Holz-Gewerkschafter, der auch stellvertretender Obmann der Unfallversicherung ist, zwei Tage später in einer Mail an alle Mitarbeiter. Er und ein zweites rotes Vorstandsmitglied legten noch nach: Die Arbeitgebervertreter und die schwarzen Arbeitnehmervertreter hätten die AUVA "verkauft", es habe wieder einmal "Geschenke für die Großsponsoren des Konzernkanzlers" gegeben, weil diese "Wahlkampfschulden bei der Wirtschaft zurückzahlen müssen", hieß es in der Mail.

Plakate wurden entfernt

Der Protest wurde in den folgenden Wochen in den Unfallkrankenhäusern fortgesetzt. Auf Plakaten war zu lesen: "Nur noch 8 Tage, bis wir NIEMANDEN MEHR behandeln können", oder "Regierung gefährdet die Gesundheit von 5 Mio. Österreichern".

Dem von den Arbeitgebern nominierten AUVA-Obmann Anton Ofner geht dieser Kurs zu weit. Er ließ nicht nur die Plakate entfernen, sondern gab auch um 20.000 Euro ein Gutachten bei der Kanzlei Andréewitch & Partner in Auftrag, mit dem ausgelotet werden sollte, welche rechtlichen Schritte gegen Birbamer und auch AUVA-Zentralbetriebsratschef Erik Lenz ergriffen werden könnten.

Kritik an Bespitzelung

Lenz hatte, ebenfalls in einer Mail an alle, massive Kritik an Generaldirektor-Stellvertreter Gustav Kaippel geübt, weil dieser Führungskräfte aufgefordert hatte zu erheben, ob Unterschriftenlisten des Betriebsrates gegen die Regierungspolitik aufliegen. Lenz bezeichnete die Bespitzelung als "skandalös und in keinster Weise hinnehmbar", er fühle sich an eine Zeit erinnert, "die wir zu Recht als eine dunkle in unserer Vergangenheit ansehen".

Alle diese Streitpunkte wurden in dem 42-seitigen Gutachten, das dem STANDARD vorliegt, geprüft. Die Autoren legen sich in den wenigsten Punkten wirklich fest, zeigen aber zahlreiche rechtliche Optionen auf.

Viele Konjunktive

So "könnte" der Versand der E-Mail durch Obmannstellvertreter Birbamer ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung sein, er "könnte aber auch als dienstrechtlicher Verstoß gegen die allgemeinen Pflichten von Vorstandsmitgliedern qualifiziert werden". Der Tatbestand der Ehrenbeleidigung sei hinsichtlich der AUVA "eher nicht" gegeben, dafür könnte "möglicherweise" der Straftatbestand "Verletzung des Amtsgeheimnisses" vorliegen, wobei aber "eine gewisse rechtliche Unsicherheit" bleibe. "Im Zweifel" sei aber von einer "Anzeigepflicht" der AUVA auszugehen.

Schwieriger wäre laut Gutachten ein Vorgehen gegen Betriebsratschef Lenz. Mit seiner Mail an alle sei kein datenschutzrechtlicher Verstoß gegeben, seine scharfen Formulierungen könnten aber "(gerade noch) eine zivilrechtliche Ehrenbeleidigung" darstellen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht wäre eine Abmahnung "denkbar", eine Kündigung oder Entlassung wäre "eher nicht zulässig".

Resolution gegen Gutachten

Die beiden Gewerkschafter zeigen sich auf Anfrage unbeeindruckt. Lenz bezeichnet die Beauftragung der Kanzlei als "Frechheit". "Die Belegschaftsvertretung lässt sich nicht einschüchtern." Bei einer Konferenz aller 130 AUVA-Betriebsräte wurde am Mittwoch bereits eine Resolution beschlossen. Birbamer zeigt sich von Ofner "menschlich sehr enttäuscht". Er und seine Fraktion hätten sich "nichts vorzuwerfen. Ich stehe zu dem, was ich geschrieben habe."

Für Ofner persönlich enthält die Expertise zudem Erfreuliches. Seine Anordnung, die Plakate umgehend zu entfernen, war nämlich zulässig. Man könne argumentieren, dass der Betriebsrat "durch das Aufhängen der Plakate in öffentlichen Bereichen gegen das Kampfverbot verstoßen hat", heißt es wörtlich.

Anzeige folgt

Ofner lässt jetzt jedenfalls eine Sachverhaltsdarstellung für die Staatsanwaltschaft vorbereiten, wieder bei der Kanzlei Andréewitch & Partner. Durch die nun vorliegende Stellungnahme sei man zur Anzeige verpflichtet, erklärt sein Büro auf Anfrage.

Das Gutachten weist aber auch darauf hin, dass die AUVA selber möglicherweise einen Rechtsbruch begangen hat. Die Nachforschungen zu Unterschriftenlisten des Betriebsrates wären nämlich ohne entsprechende Weisung Ofners "unter Umständen nicht rechtskonform" gewesen. Ofner selbst bestreitet aber, dass es eine solche Weisung gab. Kaippel hatte das anders dargestellt. Er schrieb, er habe "im Auftrag" des Obmanns gehandelt.

Parlamentarisches Nachspiel

Die Vorsitzende der Privatangestellten-Gewerkschaft (GPA-djp), Barbara Teiber, fordert Ofner nun auf, die "Einschüchterungsversuche" gegen den AUVA-Betriebsrat sofort einzustellen. In einer Aussendung kündigte Teiber am Freitag an, alle Unterstützungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. "Die Vertretung der Beschäftigten wird sich jedenfalls nicht einschüchtern lassen", betont Teiber.

Die Anzeige wird auch ein parlamentarisches Nachspiel haben. Peter Pilz fordert ein Einschreiten des Sozialministeriums, das Aufsichtsbehörde ist. In einer parlamentarischen Anfrage will er unter anderem von Ressortchefin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wissen, was sie unternehmen werde, damit die "freie Meinungsäußerung in der AUVA gewahrt bleibt". (Günther Oswald, 16.11.2018)