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Theresa May steht wieder in der Kritik. Ihr droht ein Misstrauensvotum im Parlament.

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Konservative Hardliner wie Jacob Rees-Mogg sehen ihre Vereinbarung als Niederlage gegen die EU.

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Doch die Premierministerin gibt sich kämpferisch.

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Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass die May-Kritiker in der eigenen konservativen Partei genügend Stimmen für ein etwaiges Misstrauesvotum gegen Premierministerin Theresa May beisammen haben. Ein Misstrauensvotum könnte frühestens nächste Woche im britischen Unterhaus erfolgen. Die 48 Anträge seien eingegangen, berichtet der Chefredakteur des Newsletters "BrexitCentral" am Freitag unter Berufung auf einen Insider, der in der Vergangenheit immer verlässlich gewesen sei.

Die Fraktions-Geschäftsführer sind einem Bericht der "Huffington Post" zufolge aufgefordert worden, ihre Verpflichtungen in den Wahlkreisen abzusagen und am Freitag ins Parlament zu kommen.

Um May tatsächlich im Parlament das Misstrauen auszusprechen müssten jedoch 158 Stimmen erreicht werden.

Hitzige Parlamentsdebatte am Donnerstag

Noch am Donnerstag hatte Theresa May den vorläufigen EU-Austrittsvertrag im Parlament verteidigt und die Kritik von Oppositionsführer Jeremy Corbyn pariert. Immer neue Fragen prasseln auf sie ein, harsche Kritik und kaum verhüllte Rücktrittsforderungen kommen auch aus den eigenen Reihen – und keiner eilt ihr zu Hilfe.

Da stand der erfahrene Hinterbänkler Peter Bottomley von seinem Platz auf. Er gehört dem Parlament seit 1975 an, sein Wort hat Gewicht. "Die Mehrheit des Landes steht hinter ihr", sagte er, schließlich gehe es um den Wohlstand aller. Bottomley sprach von den Folgen, sollte das Unterhaus Mays Vereinbarung mit Brüssel durchfallen lassen. Dann werde "ein Chaos-Brexit wahrscheinlich und eine Labour-Regierung unter Jeremy Corbyn möglich".

Stand: Freitagmorgen

Aber Bottomley blieb mit seinem Appell an die Vernunft ein einsamer Rufer in der Brexit-Wüste. Am Ende unterstützten in der dreistündigen Sitzung nicht einmal zehn Wortmeldungen den Plan der Regierung. Ist die Vereinbarung, kaum öffentlich, "bereits tot", wie die Opposition meint? Muss gar die Premierministerin um ihren Job bangen? Das am Freitag angekündigte Misstrauensvotum trägt bestimmt nicht dazu bei Mays Nerven zu beruhigen.

Vorsichtig gewählte Worte

Wie sehr der Deal mit Europa ihre eigene Partei vor eine Zerreißprobe stellt, hat May schon am Mittwochnachmittag erlebt. Fünf Stunden lang tagt das Kabinett, ehe die Regierungschefin um 19.20 Uhr endlich auf die Downing Street vor ihrem Amtssitz tritt und eine kurze Erklärung abgibt. "Dies ist der bestmögliche Deal für unser Land. Er ist im nationalen Interesse", sagte sie und sprach von einer "detaillierten und leidenschaftlichen Debatte". An deren Ende habe das Kabinett dem Deal zugestimmt. Von Einstimmigkeit sprach sie nicht.

Über Nacht wurde deutlich, warum. Von 25 Stimmberechtigten hätten zehn Bedenken oder gar Protest angemeldet, meldeten die Medien. Am Vormittag wurde bekannt: Dominic Raab hat seinen Hut genommen. Ausgerechnet der Brexit-Minister, erst seit fünf Monaten im Amt, wirft hin. Der 44-Jährige folgte damit anderen Brexiteers wie Ex-Außenminister Boris Johnson und seinem Amtsvorgänger David Davis, die im Juli zurückgetreten waren. Kurz darauf folgten Sozialministerin Esther McVey und zwei Staatssekretäre. Sie blieben nicht die Letzten. Alle werfen sie May die Politik vor die Füße, die sie selbst dem Land mit ihrer EU-Feindschaft erst eingebrockt hatten.

In seiner Rücktrittserklärung machte Raab deutlich, wie wenig er an der Kompromissfindung beteiligt war. Tatsächlich dürfte die Vereinbarung mit Brüssel vor allem das Werk von Mays Brexit-Vertrauensmann Oliver Robbins im Kabinettsbüro sein. Dorthin könnte die Zuständigkeit für den EU-Austritt verlagert werden, sollte sich May für die Auflösung des erst im Juli 2016 eingerichteten Ministeriums entscheiden.

May will den neuen Brexit-Minister jedenfalls in den kommenden Tagen festlegen. Sie habe mit Umweltminister Michael Gove lediglich über das Thema Fischerei gesprochen, sagte sie am Freitag. Zu Personalien werde sie sich nicht weiter äußern.

"Werde das durchziehen"

Am Donnerstagabend hat sich May vor der Presse erneut zuversichtlich gezeigt, ihren umstrittenen Brexit-Plan auch gegen Widerstände in der eigenen Partei und dem Parlament durchsetzen zu können. "Werde ich das durchziehen? Ja", sagte sie in der Pressekonferenz.

May bekräftigte, dass es kein zweites Referendum geben werde. "Wir werden die Europäische Union verlassen, und zwar am 29. März 2019." Mit Blick auf ihre innerparteilichen Kritiker sagte May, dass die Bürger sich Ergebnisse von der Regierung erwarten. "Führungsstärke besteht darin, die richtigen Entscheidungen zu treffen, nicht die einfachen." Sie glaube "mit jeder Faser meines Seins" daran, dass ihr Kurs der richtige sei.

"Ich glaube mit jeder Faser meines Körpers daran, dass der von mir verfolgte Kurs der richtige für mein Land ist."
DER STANDARD

Ex-Brexit-Minister David Davis geht dennoch nicht davon aus, dass das britische Parlament dem Abkommen zustimmen wird. May werde es daher neu aushandeln müssen, meinte er am Freitag. Ein Freihandelsabkommen könne binnen vier Monaten erreicht werden. Niemand ziehe es vor, dass es einen EU-Austritt seines Landes ohne Abkommen gebe. Angst davor müsse man aber nicht haben.

Kein Deal gegen Dublin

Im Unterhaus verteidigte May äußerlich ungerührt den Vertragsentwurf, wies zudem auf die siebenseitige Erklärung über die zukünftige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit hin. Immer wieder sprach sie von den schwierigen Entscheidungen, die der Kompromiss beiden Seiten abverlange. Für viele ihrer Parteifreunde sowie für die erzkonservative Unionistenpartei DUP gilt dies besonders in Bezug auf die Sonderlösung für Nordirland. An dieser Stelle redete May erstmals Tacheles: "Ein Deal mit der EU ist ohne eine Auffanglösung für Nordirland nicht zu bekommen."

Sie bestätigte damit indirekt, dass sich die von Dublin geforderte Härte der EU-Verhandler gelohnt hat. Wütender Einspruch der protestantischen Hardliner der DUP war die Folge. Laut einem Zeitungsbericht entzieht die nordirische Partei DUP May nun aber die Unterstützung. Sollte May nicht abgelöst werden, würde die Zusammenarbeit beendet, berichtete der "Daily Telegraph" am Freitag unter Berufung auf das Umfeld von DUP-Chefin Arlene Foster. Die Minderheitsregierung der Tories unter May ist im Parlament von den Stimmen der protestantischen und probritischen DUP abhängig.

Die Notfalloption für Nordirland bedeute nicht, dass die Freizügigkeit weiterhin gelte, sagte May am Freitag. "Wir werden die EU im März verlassen", bekräftigte sie.

Brexit-Ultra mit scharfen Wortmeldungen

Scharf äußerte sich auch der konservative Brexit-Ultra Jacob Rees-Mogg, dessen Finanzfirma kürzlich aus Angst vor dem Chaos-Brexit ihre Geschäfte nach Dublin verlagert hat. May rede von der Integrität des Landes. "Aber sie handelt nicht nach ihren Worten."

Frankreich bereit für Grenzkontrollen

Frankreich bereitet sich indes auf Grenzkontrollen an seinen Häfen vor. Dazu gehörten auch Zolleinrichtungen und Veterinärkontrollen, sagte Verkehrsministerin Elisabeth Borne. Der Brexit zeigt nach Einschätzung von Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire, wie exorbitant teuer es sei, aus dem Binnenmarkt auszutreten. (sbo, red, 16.11.2018)