Das Rettungsschiff Aquarius von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée hat Bundeskanzler Sebastian Kurz namentlich kritisiert. Unter anderem deshalb wurde Österreich im Civicus-Monitor herabgestuft.

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Geht es nach Civicus, hat sich die Situation für die österreichische Zivilgesellschaft verschlechtert. Das globale Netzwerk hat Österreich deshalb am Montag in seinem Monitor von "offen" auf "eingeengt", also von der höchsten in die zweithöchste Kategorie herabgestuft. Civicus begründet das damit, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung die Grund- und Freiheitsrechte von zivilgesellschaftlichen Akteuren beschränke.

"Die österreichische Regierung hat sich dafür entschieden, zu spalten anstatt einen Dialog zu führen, einzuschränken anstatt Grundrechte zu wahren", erklärte Cathal Gilbert von Civicus die Entscheidung. Als Beispiele werden Angriffe auf die Pressefreiheit genannt, dabei explizit, dass das Innenministerium Infos für "kritische Medien" wie den STANDARD, den "Falter" oder den "Kurier" beschränken wollte. Zudem wurde moniert, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) den ORF schwächen wolle. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird dafür kritisiert, dass er im Mittelmeer tätige NGOs wie Ärzte ohne Grenzen mit Schleppern gleichgesetzt hat.

Kritik auch an Vorgängerregierung

Die rot-schwarze Vorgängerregierung wird ebenfalls kritisiert, und zwar dafür, dass sie 2017 die Frist zur Anmeldung von Versammlungen von 24 auf 48 Stunden verlängert hat. Das bezeichnete jüngst auch die Österreichische Rechtsanwaltskammer als "Eingriff in Grundrechte".

Man wolle die österreichische Regierung aber nicht "dämonisieren", sagt Gilbert zum STANDARD, sondern sie auffordern, mit zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Dialog zu führen, um die kritisierten Gesetze und Maßnahmen zu überdenken.

Civicus definiert sich als "globale Allianz von zivilgesellschaftlichen Akteuren" und hat das Ziel, Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaften weltweit zu stärken. 1993 gegründet und mittlerweile mit Sitz in der südafrikanischen Großstadt Johannesburg, hat es laut eigenen Angaben über 4.000 Mitglieder in mehr als 175 Ländern.

Gleich bewertet wie die USA oder Frankreich

In ihrem Civicus-Monitor gibt es fünf Bewertungen: offen, eingeengt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen. Als offen gelten unter anderem Deutschland, die skandinavischen Länder sowie Australien, als geschlossen etwa China, Saudi-Arabien, der Iran, Libyen und Kuba. Mit der Bewertung "eingeengt" befindet sich Österreich nun in Gesellschaft mit Frankreich, Spanien, den USA, Argentinien und Südafrika.

Grundlage der Bewertungen sind einerseits eigene Recherchen – im April waren Civicus-Mitarbeiter in Wien –, andererseits Berichte anderer Organisationen wie etwa Reporter ohne Grenzen. In Österreich ist die Interessenvertretung gemeinnütziger Organisationen (IGO) Mitglied von Civicus. Zu ihren Mitgliedern gehören unter anderen SOS Mitmensch, Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International Österreich und der WWF. Für IGO-Geschäftsführer Franz Neunteufl ist Österreichs Herabstufung nachvollziehbar: "Kollegen berichten, dass sich das Gesprächsklima mit der Regierung deutlich verschlechtert hat." Schreiben und Terminanfragen bleiben demnach unbeantwortet.

Berichte über Einschüchterungsversuche

Außerdem, so Neunteufl, wurden ihm Einschüchterungsversuche am Telefon berichtet: "Viele gemeinnützige Vereine und soziale Unternehmen können ihre Leistungen nicht ohne Förderungen und Aufträge der öffentlichen Hand erfüllen. Deshalb wagen sie es jetzt noch weniger als früher, ihre Kritik öffentlich zu äußern."

Weitere Details dazu wollte Neunteufl nicht bekanntgeben. Stattdessen verweist er auf einen Bericht, den derzeit die IGO gemeinsam mit der WU-Professorin Ruth Simsa und ihren Mitarbeitern und Studenten erstellt. Er soll im Frühjahr 2019 erscheinen. (Kim Son Hoang, 19.11.2018)