Wladimir Putin im April 2018 zu Besuch bei Recep Tayyip Erdoğan. Diesmal dürfte die Stimmung gespannter sein.

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Am Montag kommt Russlands Präsident Wladimir Putin nach Istanbul. Offizieller Anlass ist die Zeremonie zur Fertigstellung des Unterwasserteilstücks der Pipeline "Turk Stream", doch zugleich wird er mit seinem Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan auch "Fragen der weiteren Entwicklung der russisch-türkischen Beziehungen und die aktuelle regionale und internationale Problematik" erörtern, teilte der Kreml-Pressedienst mit.

Konkret dürfte es dabei um zwei Themen gehen: Die angespannte Lage in der syrischen Provinz Idlib und den Vertrag über die Lieferung russischer Luftabwehrraketen vom Typ S-400 an die Türkei.

Streitthema Idlib

Die Region Idlib ist seit Monaten ein Streitthema zwischen Ankara und Moskau. Idlib wird – mit Finanzierung und reichlich Hilfe aus der Türkei – von Gegnern Baschar al-Assads gehalten. Die von Russland unterstützten syrischen Regierungstruppen hingegen wollen die Region zurückerobern. Mit der geplanten Offensive drohte erneut die massive Eskalation des Konflikts, ehe sich im September Putin und Erdoğan auf die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone einigten. Der Termin dafür – Mitte Oktober – ist längst verstrichen, doch die vereinbarte Waffenruhe ist bis heute Fiktion.

Die Türkei hat sich weitere Zeit erbeten, doch das endgültige Ziel Putins bleibt die Wiederherstellung der völligen Kontrolle des Landes unter Assad. Den aus dem türkischen Hinterland kommenden Nachschub für die Kämpfer in Idlib will Moskau daher nicht dulden. Die Gespräche sind dementsprechend kompliziert.

Beziehungen zu Washington

Damit nicht genug: Laut türkischen Nachrichtenagenturen versucht sich Erdoğan wieder den USA anzunähern und die Beziehungen zu Washington auch auf Kosten Russlands zu kitten. So steht der im vergangenen Jahr für 2,5 Milliarden Dollar abgeschlossene Deal über den Kauf von S-400-Luftabwehrraketen plötzlich wieder auf der Kippe. Laut der Agentur Anadolu erwartet die türkische Regierung, dass das Pentagon schon im Dezember vom Senat grünes Licht für die Lieferung von Patriot-Raketen an die Türkei bekommt.

Doch Washington hatte seine Waffenlieferungen an den Natopartner Türkei davon abhängig gemacht, dass dieser auf das Geschäft mit Russland verzichtet. Auf dem Höhepunkt der Beziehungskrise zwischen dem Westen und Erdoğan war dem türkischen Präsidenten dies herzlich egal. Mit geradezu diebischer Freude präsentierte der türkische Staatschef dem ewig nörgelnden Westen seinen neuen Partner und verbat sich demonstrativ jedwede Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Pastor freigelassen

Doch nun ist Ankara offenbar daran interessiert, das Verhältnis zum Westen wieder zu kitten. Auch gegenüber Washington entspannte sich das Verhältnis zuletzt nach der Freilassung des evangelischen Pastors Andrew Brunson. Zuvor hatte die Türkei den US-Staatsbürger mit Spionage- und Terrorvorwürfen rund zwei Jahre lang festgehalten, worauf die USA mit Strafzöllen reagierten, die die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft weiter schwächen.

Für Moskau wäre der Verlust des Waffengeschäfts ein herber Schlag, auch wenn Ankara dann eine Entschädigung zahlen müsste. Der Kreml betrachtet die Waffengeschäfte jedoch nicht allein aus finanzieller Sicht, sondern auch als Zeichen einer politischen Allianz. Die bekäme einen empfindlichen Knacks, sollte die vor einem Jahr noch in Moskau so gefeierte S-400-Lieferung entfallen. (André Ballin aus Moskau, 17.11.2018)