In den Neunzigern wurden oft Medikamente als Ecstasy verkauft – die Prägung erweckte den Anschein einer Droge. Heute kommen die Pillen in allen Formen und Farben.

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Wien – In dem Moment, in dem Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine Probe von seiner Pille abreibt, setzt der Bass ein. Der Soundcheck in der Arena beginnt. In drei Stunden werden hunderte Partygäste hier feiern, tanzen, Drogen nehmen. Ein paar Dutzend von ihnen werden ihre Tabletten, Pulver und Trips vorher von den Sozialarbeitern der Organisation Checkit testen lassen.

Im Lauf seines 20-jährigen Bestehens hat das Team der Info- und Beratungsstelle rund 12.000 Proben analysiert, etwa einmal im Monat steht der Laborbus bei Veranstaltungen. Partygäste geben Proben ab, zusammen mit einer Vermutung, um welche Substanz es sich handelt. Die Hälfte der Ergebnisse war wie erwartet. In 14 Prozent der Fälle war das Testergebnis "bedenklich".

Wer eine Pille testen lassen will, reibt ein Stück davon ab – anonym. Die Probe wird mit einer Nummer versehen und anschließend im Checkit-Labor untersucht.
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Der Weg des Ecstasys

Wie Mode und Musik machten in den vergangenen Jahrzehnten auch Drogen Trendwellen durch. Anfang der Neunziger kamen Ecstasypillen aus England nach Österreich. Zur Gründungszeit von Checkit 1998 wurden vor allem Ecstasy und Speed zum Testen abgegeben. Gefunden wurden "Mist, Gift und Medikamente", sagt Rainer Schmid, der wissenschaftliche Leiter der Beratungsstelle.

Später, zu Beginn der 2000er-Jahre, als Ecstasy international strenger kontrolliert wurde, kamen die Piperazine: Substanzen, deren Wirkung an Ecstasy erinnert – allerdings weniger euphorisch, dafür schneller depressiv oder nervös machend.

Die Ära der legalen Drogen

Die Piperazine waren der Beginn einer tiefen Veränderung des Drogenkonsums und -handels: die Research-Chemicals-Ära. Diese auch Legal Highs genannten Substanzen waren nicht Teil der der UN-Konvention gegen narkotische Drogen, einer Liste von Sub stanzen, die die einzelnen Staaten in ihre Betäubungsmittelgesetze aufnehmen müssen. Damit waren sie legal – und chemisch kaum erforscht. Wanderten sie auf die Liste, war meist schon eine neue Substanz mit minimal veränderter Molekülstruktur auf dem Markt.

Um 2010 gipfelte der Research-Chemicals-Boom, Substanzen wie Mephedron wurden in großen Mengen billig in China produziert und überschwemmten den österreichischen Markt. Ein Drittel der bei Checkit abgegebenen Proben waren damals Legal Highs. Zwei Jahre später trat in Österreich das "Neue Psychoaktive Substanzen Gesetz" in Kraft, es verbietet den Handel mit Legal Highs. Das Gesetz griff: Heute sind nur noch fünf Prozent der abgegebenen Proben Research Chemicals.

Pillen werden stärker

Vor ein, zwei Jahren aber tauchten synthetische Opioide auf: Sie wirken ähnlich wie Heroin oder Morphin, sind aber chemisch hergestellt. Nur vereinzelt stößt das Checkit-Team darauf. Doch: "Die zu übersehen wäre ein absoluter Fehler", sagt Schmid. Denn sie sind hochaktiv, hochpotent und hochriskant, machen schnell abhängig und können tödliche Atemdepressionen hervorrufen.

Die Klassiker Kokain und Speed halten, aber verändern sich: Früher war in Kokain häufig Levamisol, ein Wurmmittel. Speed, also Amphetamin, war meist mit Koffein gestreckt. "Seit ein, zwei Jahren haben wir zu 80, 90 Prozent reines Zeug", sagt Schmid. Im sogenannten Darknet wird der Drogenhandel transparenter, Verkäufer werden öffentlich bewertet und legen Wert auf reine Ware. Außerdem seien in den letzten Jahren vielfach zu hoch dosierte Ecstasypillen im Umlauf gewesen. Konsumenten wissen nicht, wie stark eine Substanz ist, nehmen gewohnte Mengen und damit eine Überdosis.

350 Substanzen können von Checkit gefunden werden. Vier Tests laufen gleichzeitig, eine Probe zu analysieren dauert nur fünf Minuten.
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Sticker für Hochdosiertes

350 Substanzen kann das Laborteam von Checkit erkennen, das Testergebnis wird an einer Infowand ausgehängt, gefährliche Substanzen auf einem roten Zettel, ein Sticker markiert Hochdosiertes. In akuten Ernstfällen lässt das Checkit-Team die Musik ausstellen und macht eine Durchsage.

Das Ergebnis von Stadtrat Hackers Pille steht auf einem weißen Blatt. Die enthaltenen Substanzen: Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein. Eine Kopfschmerztablette. (Gabriele Scherndl, 19.11.2018)