Für: Die Verhandlungen über den Metaller-Kollektivvertrag ziehen sich in Länge. Der Industrie stehen die Schweißperlen auf der Stirn, denn in mehreren Betrieben wurde zeitweise die Arbeit niedergelegt. Für Montag droht die Gewerkschaft mit Streiks, sollte es bis dahin keine Fortschritte geben. Das ist eine Seltenheit in Österreich, aber ein legitimes Mittel in Zeiten der Hochkonjunktur, für die Arbeiter ein angemessenes Stück vom Kuchen zu holen.

Wider: Es ist ein explosiver Cocktail, den die Gewerkschaft gerade mischt. Hohe Lohnforderungen garniert mit arbeitsrechtlichen Verbesserungen erscheinen den Arbeitgebern überzogen, dazu kommt die Eskalation mit bereits durchgeführten Warnstreiks und dem für Montag angekündigten Streik, sollte am Sonntag keine Einigung gefunden werden. Ein Überblick über die Gründe, die gegen den Konfrontationskurs der Arbeitnehmer sprechen.

Die Gewerkschaften fordern fünf Prozent mehr Lohn.
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Lohnforderungen

Die Gewerkschaft ist mit einer, wie sie selber sagt, "stolzen Forderung" von fünf Prozent Lohnplus in die Verhandlungen eingestiegen. Das klingt höher, als es nach Berücksichtigung der Inflation ist. Die jährliche Inflationsrate erreicht hierzulande 2,4 Prozent. Aber auch in Deutschland stiegen die Preise im gleichen Tempo an. Der gefürchtete Inflationsabstand zum Konkurrenten schließt sich. Der damit einhergegangene Wettbewerbsnachteil kann nicht mehr als Argument dienen, bei Löhnen zu bremsen.

Außerdem steigen die Preise hierzulande aus zwei Gründen: Einerseits wird Wohnen und Essengehen teurer. Das trifft die Arbeitnehmer direkt im Börsel, tangiert die Materialkosten der Industrie aber wenig. Andererseits steigen die Rohstoffpreise. Das spüren die Unternehmen zwar, aber auf der ganzen Welt gleich. Für den Wettbewerb ist das egal. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben noch dazu festgestellt, dass das Wachstum für 2016 unterschätzt wurde. Die Konjunktur habe schon damals an Fahrt aufgenommen. Die Arbeitnehmer fordern nur, was ihnen bisher vorenthalten wurde. Daher sind fünf Prozent mehr Lohn – nota bene als Verhandlungsbasis – keineswegs dreist.

Fünf Prozent plus, dazu Kompensationen für den Zwölfstundentag in Form höherer Überstundenzuschläge und Kündigungsschutz für Mitarbeiter, die Mehrarbeit ablehnen: Das kommt laut Wirtschaftskammer einer Lohnkostensteigerung um ein Fünftel gleich. Selbst wenn man die Inflation und die Produktivitätssteigerung voll abgelten würde, käme man auf ein Lohnplus von unter vier Prozent. Die Metallbetriebe stehen voll im internationalen Wettbewerb, hohe Gehaltssteigerungen würden die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen. Die logische Folge: Beschäftigungsabbau oder gar Verlagerung und Schließung von Standorten.

Auch das Argument der auch im europäischen Vergleich starken Lohnzurückhaltung in der Vergangenheit wird nicht nur von Arbeitgeberseite, sondern auch von Wirtschaftsforschern relativieren. Die Arbeitszeit ist nämlich von 2008 bis 2017 von 37,3 auf 35,2 Stunden zurückgegangen. Pro geleistete Stunde gibt es somit sehr wohl ein ansehnliches Gehaltsplus. Diese Betrachtung ist auch nicht durch die steigende Teilzeit verzerrt, weil in dieser Statistik laut Wirtschaftsforschungsinstitut nur Vollzeitjobs berücksichtigt wurden.

Politische Ebene

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP).
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Die Gewerkschaften würden die Verhandlungen "aus politischen Gründen" eskalieren lassen, kritisieren Arbeitgeber. Das neue Arbeitszeitgesetz der Regierung ist aber kein Nebenschauplatz. Es ist zentral für die Arbeitskonditionen, um die sich die Verhandlungen drehen. Dass Türkis-Blau ohne Begutachtachtung das Arbeitszeitgesetz beschlossen hat, lässt der Gewerkschaft nur die Kollektivverhandlungen, um sich für bessere Konditionen einzusetzen.

Die Probleme bei der Lohnrunde und die Streikdrohung haben eine klare (partei-)politische Note. Türkis-Blau hat schon mehrere Schritte gesetzt, die den Arbeitnehmern missfallen – insbesondere der Beschluss des Arbeitszeitgesetzes im Sommer. Dabei zählt der Zwölfstundentag gerade in der Metallindustrie seit langem zum Repertoire. Nicht nur notorische Kritiker werfen der Gewerkschaft vor, die Lohnrunde mit der Oppositionsrolle zu verwechseln. Durch die Turbulenzen in der SPÖ dürfte zudem der ÖGB gestärkt worden sein, was dessen Streitlust anzustacheln scheint.

Streikkultur

PRO-GE-Chef Rainer Wimmer während einer Betriebsversammlung der Aufzugsmonteure.
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Mit zwei Streiktagen pro Jahr liegt Österreich im internationalen Vergleich beinahe an letzter Stelle. Man kann also noch öfter die Arbeit niederlegen, bevor irgendein Großkonzern auf die Idee kommt, Österreich sei diesbezüglich kein guter Standort. Gleiches gilt für die Wettbewerbsfähigkeit: In Deutschland wird mehr als dreimal so oft gestreikt. Ein paar produktionsfreie Stunden verkraftet die heimische Industrie. Die Betriebe klagen zwar angesichts voller Auftragsbücher. Aber sie haben es selber in der Hand, den Streik zu beenden.

Die Betriebe für Maßnahmen der Politik zu bestrafen, sei absurd, meinte kürzlich Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karl-Heinz Kopf. Die Streikkosten könnten die Marke von 100 Millionen Euro übersteigen – am Tag. Außerdem könnten allfällige Kampfmaßnahmen den Standort schwächen, weil internationale Investoren nicht zuletzt wegen des sozialen Friedens Österreich als Produktions- oder Forschungsstätte auswählen. (slp, as, 18.11.2018)